Zinsentwicklung in der Eurozone … ist die EZB schon wieder zu spät dran?
Die Zinsen in der Eurozone scheinen ihren Höchststand erreicht zu haben… Die langfristigen Zinsen haben sich seit Jahresanfang nur noch geringfügig erhöht, unabhängig von der Entscheidungen der EZB. Das ist beachtlich, da die langfristigen Zinsen weitgehend vom Markt selbst beeinflusst werden. Die Entscheidungen der EZB wirken bekanntlich vor allem auf die kurzfristigen Zinsen. Der Markt hatte also bereits längst ein Zinstableau entwickelt und ging nicht von zukünftig höheren Zinsen aus. Daher sind die Zinsen der längerer Laufzeiten nicht weiter gestiegen. Und dies trotz der steigenden Inflation, auch hier schien der Markt bereist zu antizipieren, dass sich die Inflation kurz- bis mittelfristig wieder absenken würde.
Dem entgegen hat die EZB in diesem Jahr weiter fleißig an der Zinsschraube gedreht. Warum? Offensichtlich um öffentlichkeitswirksam die Inflation zu bekämpfen. Wohl auch weil klar ist, dass die EZB mit den Zinserhöhungen viel zu spät begonnen hatte. Ein Art Überkompensation? Hätte die EZB früher als Mai 2022 mit den Zinserhöhungen begonnen, z.B. ab Herbst 2021 als die langfristigen Zinsen stiegen, wären wohl nur geringere Zinserhöhungen erforderlich gewesen. Das Zinsniveau wäre wohl niedriger als heute.
Heute stellt sich die Frage, wann die Zinsen ggf. wieder gesenkt werden könnten. Oder bleiben die Zinsen auf diesem Niveau? Was sagt die Inflation? Was bedeutet die aktuelle Situation für die wirtschaftliche Entwicklung bzw. das Wachstum?
Die Inflation fällt inzwischen deutlich, in der Eurozone und auch in Deutschland. Heute sehen wir das positiv, das Gespenst der Hyperinflation scheint gebannt. Doch wann stoppt der Abwärtspfad? Rutscht die Inflation deutlich unter die Zielmarkt von 2%, vielleicht sogar in die Deflation?
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Zinsentscheidungen der EZB erst mit einiger Verspätung Wirkung in der Wirtschaft entfachen können. Daher ist die verspätete Anhebung in 2021/2022 umso schwerwiegender.
Ich hatte bereits früher auf die Veränderungen der Geldmenge M3 hingewiesen. Das der Zuwachs bereits wieder abnahm als die EZB handelte. Nun hat sich dieses Bild bestätigt. Die Veränderung der Geldmenge läuft der Inflation rd. 20 Monate voraus, das lässt sich langjährig nachweisen. Inzwischen ist die Veränderung sogar negativ, was deflationäre Erwartung nährt.
Wenn die EZB jetzt wieder zu lange mit erste Zinssenkungen wartet, wird sie später wieder zu deutliche Zinssenkungen vornehmen müssen.
Dabei gibt es neben dem Abbremsen der Inflationssenkung auch die wirtschaftlichen Gründe für eine Zinssenkung. Die Wirtschaft der Eurozone aber insbesondere Deutschland (jetzt wieder der „kranke Mann Europas“) benötigt nach den letzten Krisen den Support durch stabile und leicht sinkende Zinsen.
Deutschlands Industrie ist wirtschaftlich besonders betroffen, da ihr die Politik zusätzliche Lasten durch eine Energiepolitik aufbürdet. Während die andere Eurostaaten die notwendigen Co2-Reduzierungen vor allem durch den Ausbau der Kernkraft umsetzt, wird dies in Deutschland ausgeschlossen und rein auf regenerative Energien gesetzt. Neben der Versorgungsunsicherheit (für die Industrie gar nicht hinnehmbar) sind die Energiekosten in Deutschland für die Industrie in der Konsequenz zu hoch. Ganz davon abgesehen, dass aufgrund mangelnder Leistung (insbesondere wenn weder Sonne noch Wind Strom liefern) die Co2-Emissionen hingegen sogar steigern. Der absehbare Co2-Handel wird die Probleme für die Industrie noch verstärken, wenn keine sichere nachhaltige günstige Energie verfügbar ist. Daher sind stabile und leicht leicht sinkende Zinsen für Deutschland trotz der (noch) aktuellen wirtschaftlichen Stärke wichtig, auch um notwendige Rüstungsprogramme zinsgünstig finanzieren zu können. Bevor mich andere Themen vom eigentlichen Thema forttragen:
Fazit: Wenn die EZB (wieder) zu spät das Signal einer Zinsstabilität und leicht sinkender Zinsen sendet, droht die Inflation bis zu einer Deflation zu sinken – dann werden wir in einigen Jahren wieder einen zu deutlichen Gegeneffekt (Zinsanstieg bei Inflation) riskieren. Die EZB muss vor allem für stabile, angemessene Zinsen für alle Markteilnehmer sorgen.