Winter is coming …
Der nahende Winter wird eine Herausforderung für alle. Viele Risiken und bereits eingetretene, aber teilweise noch nicht vollständig spürbare, Veränderungen werden zusammenwirken und – im Falle eines kalten Winters – bisher unbekannte Härten mit sich bringen.
Die Inflation steigt aktuell weiter. In der Folge wir die EZB auch noch die Zinsen erhöhen.
Natürlich ist klar, dass höhere Zinsen eigentlich die falsche Reaktion sind, da wir eine angebotsgetriebene Inflation haben. Die Inflationsdynamik begann mit den coronabedingten Lieferengpässen und -ausfällen, verstärkte sich mit der Ever-Given und wurde nun durch die Verknappung von Gas (und in der Folge Verteuerung aller Folgeprodukte, die sehr zahlreich sind) weiter zum „perfekten“ Sturm aufgeheizt. Die Zunahme der Geldmenge M3 erreichte Anfang 2021 seinen Höhepunkt, seitdem sind die Zunahmeraten deutlich gesunken und belaufen sich im nun langjährigen Mittel. Daher ist ein Entzug von Liquidität durch Zinserhöhungen eher Symbolpolitik.
Zinserhöhungen führen eher zu mannigfaltigen Folgeproblemen für die verschuldeten Südstaaten aber auch für die heimische Wirtschaft, die vor einer Rezession steigen Kreditkosten und Verknappung von Liquidität (und damit auch von Krediten) nun gar nicht gebrauchen kann. Die Südstaaten müssen bei jeder Zinserhöhung mit neuen Anleihekäufen gestützt werden. Deren Staatsverschuldungsquote wird sehr stark steigen, da die Schulden nominell aufgrund der Hilfsprogramme steigen und das BIP in Folge der Rezession sinken wird. Wie lange werden die „starken“ Eurostaaten die verdeckte Staatsfinanzierung der Schuldenstaaten mittragen (können und wollen)?
Tatsächlich wird die Inflation noch weiter steigen. Gründe sind das Auslaufen von Tankrabatt und 9-Euro-Ticket, Einkommenssteigerungen, der schwache Euro (importierte Inflation), gewisse Restinvestitionen der öffentlichen Hand aus Coronahilfspaketen aber auch die Materialknappheit. Besonders stark werden zum Winter die Preiserhöhungen der Versorger (auch bei Festpreisverträgen) zzgl. der Gasumlage die Inflation anheizen. Inflationsmindernd wird, ggf. mit zeitlichen Verzögerungen, die Abnahme des statistischen Einflusses der gestiegenen Ölpreise wirken (die Gaspreise treiben die Inflation leider), die neuen Entlastungspakete (sofern sie nicht nur aus Direktzahlungen bestehen) aber vor allem die drohende Rezession wirken. Diese führt bei Gewerbe und Privatpersonen zum Sparzwang und Kaufzurückhaltung, trotz hoher Inflation.
Entscheidend für das Ausmaß der Probleme für Gasversorgung und Wirtschaftsrezession wird sein, wie warm oder kalt der Winter wird. Ein milder Winter würde viele Probleme mindern. Und deshalb werden alle Wirtschaftsfachleute ab jetzt die Wetterprognosen studieren und auf einen milden Winter hoffen, der wäre gut für alle: Menschen, Firmen, Börsen und Zinsen …
Tatsächlich können die Rezession und die hohen Gaspreise das geeignetste „Mittel“ sind, dass die angebotsgetriebene Inflation bekämpfen kann. Geht die Nachfrage zurück, könnte der Nachfrageüberhang zum Angebot reduziert werden oder gar ganz abgebaut werden. Das könnte dazu führen, dass die Preise nach dem Erhöhungsschock dann im Frühjahr erst einmal nicht weiters teigen, zumal Ersatzbeschaffungen von Energie (LNG, andere Quellen von Gas, Öl, Wasserstoff etc.) auch das Angebot erweitern und damit entlasten könnten.
Im Ergebnis dürfte die Inflation zum Jahresende noch steigen um dann den Winter über hoch zu bleiben. Im Frühling / Sommer besteht die Hoffnung auf eine Absenkung der Inflation, sofern keine neuen verschärfende Aspekte hinzukommen. Ab Winter sollte die Inflation aufgrund von nachlaufenden Effekten dann in einem Bereich von 4-5% angekommen sein. Die Betriebskostenabrechnungen der Mieter würden dann die letzten herben und unliebsamen Überraschungen sein.
Die EZB wird die Zinsen noch einmal stärker anheben müssen, bei einem Absinken der Inflation aber schnell den Zinserhöhungspfad verlassen um die Folgeprobleme für die Schuldenstaaten und die Wirtschaft nicht zu sehr zusätzlich anzuheizen. Das könnten dann dazu führen, dass der kurzfristige Zins unter 2% leibt und die langfristigen Zinsen vielleicht 0,8% bis 1% darüber liegen. Bis dahin kann und wird es aber heftige Ausschläge je nach Berichtslage zur Inflation geben.
Aber wie gesagt, die Höhe und Verlauf von Zinsen und Inflation liegt wohl stark in der Hand des Wetters im kommenden Winter. Die Rezession und deren Verlauf wird die Börsenkurse bestimmen. Auch hier würde ich auf jeden Fall bis zum Frühling Ruhe bewahren …