Wie (und wo) arbeiten wir in 5-10 Jahren ? Arbeiten wir in Zeiten der „Battle for Talents“ und Shared-Economy eher in (heute) disruptiven Lösungen?
Schon seit langem wird darüber diskutiert, wo und wie wir in 5 oder 10 Jahren arbeiten. Und ich sitze immer noch am Schreibtisch in einer Büroetage. Vor 5 Jahren waren wir uns sicher, dass die Menschen heute mehr zu Hause arbeiten würden. Es würden weniger Büroflächen gebraucht. Vor 10 Jahren standen große Büroflächenbestände leer – auch in Berlin (heute unvorstellbar).
Doch bleibt deshalb alles so wie es war? Werden wir immer weiter so arbeiten? Und werden die Büroimmobilienunternehmen immer so weiter vermieten können?
Es hat sich einiges verändert. Es gibt auch bereits einige Branchen, die durch neue, disruptive Geschäftsmodelle sehr hart getroffen wurden. Im Immobilienbereich es häufig der wohnwirtschaftliche Bereich, in dem Veränderungen starten. Dort ist „Masse“ und Modelle können sich erproben. Dann ist zu prüfen, ob sich das Modell auch auf andere Bereiche (z. B. Büro etc.) übertragen lässt. Erprobungen starten zudem immer gern im kurfristigen Bereich. Geschäftsmodelle mit kurzer Laufzeit zeigen schneller einen möglichen Erfolg oder Mißerfolg als langfristige. Und der Kapitaleinsatz ist häufig auch geringer und schneller wieder abzubauen.
Beispiele: Im wohnwirtschaftlichen Bereich starteten Mitwohnzentralen bereits vor Jahren im studentischen Bereich. Inzwischen wohnen auch Pendler oder Menschen, die viel unterwegs sind, in Wohnlösungen, die sie sich mit anderen teilen. Das ist inzwischen auch gut zu organisieren – mit AirBnB. Dieses eher auf Kurzzeitvermietung ausgelegte Tool wurde lange belächelt. Würden die konservativen Deutschen fremde Dritte in ihre „heiligsten“ Räume wie Bad und Schlafzimmer wohnen lassen? In der Wohnung umher stöbern lassen? Welche in Einbruch in das Privatleben und die Intimsphäre. Was haben wir gelernt? Ja, wenn es Geld bringt. Der Deutsche nimmt sehr gern den schnellen Euro mit und akzeptiert auch die Eingriffe in die Privatsphäre, zumal wohl nahezu alle privaten Anbieter weder ein Gewerbe dazu anmelden noch die Einnahmen versteuern. Diese Bereitschaft hat den Hotels sehr stark zugesetzt. Es gab deutliche Einbrüche in den Übernachtungszahlen und ein Unternehmen wie AirBnB, dass keine eigenen Immobilien besitzt ist weist einen zweistelligen Mrd. Euro Wert auf. Die Hotels kämpfen noch immer mit den Folgen und um Marktanteile mit den privaten Übernachtungsmöglichkeiten. Sie haben erst gar nicht und dann zu spät reagiert – und laufen nun der Entwicklung (sehr teuer) hinterher.
Im Bürobereich haben sich inzwischen die Co-Working-Spaces etabliert. Zuerst als reine Start-Up-Szene gestartet, sind die größten Mieter dort nun Automobilkonzerne und Großunternehmen, die zeitlich befristet Arbeitsplätze für Teams in zentralen lagen suchen. Die letzteren sind nicht in den Flächen um an den angebotenen Events teilzunehmen oder die Dienstleistungen der anderen „Bewohner“ der Co-Workingfläche zu nutzen – sie arbeiten ganz schlicht und einfach im eigenen Rahmen dort. Das moderne Umfeld steigert nur die Attraktivität der Arbeitsplätze (die selbst sehr klein sind) und erfüllt die Anforderungen der gesuchten Mitarbeiten nach Zentralität und Umfeld. Waren es früher nur einzelne oder wenige Arbeitsplätze, die angemietet wurden, bieten Co-Working-Spaces (z. B. WeWork) inzwischen auch Flächen für 10, 30 oder 100 Mitarbeiter an. Diese werden dann auch zumindest mittelfristig angemietet. So hat auch WeWork, ohne dass auch nur eine Fläche selbst besessen wird, einen Marktwert von 15,5 Mrd. USD erreicht.
Doch was bedeutet dies für die Büroimmobilieneigentümer, die als Vermieter auftreten? Derzeit sieht man die Co-Working-Anbieter nur als weitere Mieter am Markt. ALs zusätzliche Interessenten, an die genauso vermietet werden kann wie an „normale“ Büromieter. Ist das richtig? Zur Zeit scheint das so zu sein. Aber die Co-working-Spaces sind mehr als nur Nutzer. Sie sind die Konkurrenten der Zukunft. Warum? Ein Co-Working-Anbieter vermietet Arbeitsplätze nach Stück zu einem festen Preis pro Monat. Dabei erreicht er in guten, zentralen lagen Quadratmetermietpreise in Berlin von bis zu EUR 100 / qm. Bei einem eigenen Einstand von EUR 20 / qm netto kalt. Zzgl. Nebenkosten und einer soliden aber nicht hochwertigen Möblierung dürften die Kosten kaum auf deutlich über EUR 35 / qm steigen. Die vor allem im Eingangsbereich angelegten Empfangs- und Allgemeinflächen und Flure stellen weniger als 10 % der Gesamtfläche dar. Hier sehen wir also, dass die Hauptwertschöpfung nicht mehr beim Immobilienbesitzer sondern beim Co-working-Unternehmen liegt. Natürlich kann man hier die Diskussion führen, warum ein Besitzer jetzt in eine Betreiberrisiko tragen sollte – das tut man bei Hotels ja auch nicht.
Die Konkurrenzsituation entsteht durch zwei Aspekte: Zum Einen, wenn die Cop-Working-Spaces zukünftig einen hohen Anteil an der Vermietung von kleineren und mittleren Flächen aufbauen können. Full-Service, also all-inclusive. Ein Mieter von 10-20 Arbeitsplätzen will sich vielleicht nicht mit der (langwierigen) Beschaffung von Möbeln, Internet, Reinigungsservice und Strom beschäftigen – und vor allem keine Betriebskostenabrechnungen prüfen. Diese Unternehmen wollen vielleicht einfach nur „loslegen“ – und in seinem Kernarbeitsbereich Geld verdienen. Die Bereitstellung von Flächen und allen Dienstleistungen wird out-„gesourced“, so wir es mit anderen Dienstleistungen (Steuerberatung, Recht etc.) auch passiert. Damit gehen dem klassischen Immobilienvermieter, der möglichst wenig TI´s leisten möchte, Mietinteressenten verloren. Die Co-Working-Fläche kann in Zukunft auch deshalb zusätzlich attraktiv sein, wenn dort die beschriebenen Dienstleister wie Juristen und Steuerberater vielleicht auch sitzen – zumindest mit einem Office präsent sind. Die „Shared-Economy“ lässt grüßen.
Wer schon einmal in einem Co-Working-Space gesessen hat weiß, wie innovativ und „trendy“ die Umgebung ist. Dies ist für junge und talentierte Kräfte hoch attraktiv. Schon heute fällt es großen Unternehmen schwer, gute Mitarbeiter in Verwaltungsgebäude am Stadtrand oder außerhalb zu „locken“. In Zeiten des Fachkräftemangels gewinnen daher attraktive Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen enorm an Gewicht, wenn man Talente an das Unternehmen binden möchte. Auch dass wird dazu führen, dass kleine und mittlere Unternehmen (die häufig nicht die besten wirtschaftlichen Angebote an Mitarbeiter im Vergleich zu Großkonzernen machen können) eher mit diesen „Soft-Facts“ in der „Battle-for-talents“ punkten werden wollen. Die heutigen Studenten und „Bewohner“ von Co-Working-Spaces stellen ein hohen Anteil an denen, die in 5-10 Jahren die Mieter von Büroflächen sind oder die Entscheider über Anmietungen.
Und damit ist das Risiko bei den Immobilieneigentümern angekommen, die eher kleine und mittlere Flächen vermieten. Hier stellt sich ohnehin die Frage, wer genau die Mieter der Zukunft sind. Die Co-Working-Spaces werden tendenziell immer größere Flächen anmieten. Je größer, desto mehr Profit, da ihr Geschäftsmodell mit dem Scaleneffekt arbeitet. Damit werden den Anbietern kleinere und mittlerer Flächen Mietinteressenten entzogen. Die Lösung ist jetzt nicht selbst ins Co-Working-Geschäft einzusteigen, sondern selbst all-inclusive-Flächen anzubieten, um ein eigenes, konkurrenzfähiges Angebot zu haben. Nicht nur Brutto-Warmmieten, was wir schon kennen. Sondern auch Zusatzdienstleistungen rund um das Arbeiten, mit denen sich auch Gewinne erzielen lassen. Hier müssen die klassischen Immobilienbesitzer die Position des reichen „Landlords“ mit dem eines Dienstleisters tauschen und prüfen, was den Mieter Nutzen bringen könnte und dies anbieten. Denn sie werden in 5-10 Jahren mit Menschen über Anmietungen verhandeln, die heute Cop-Working-Spaces und deren Nutzen und Zusatzdienstleistungen schätzen gelernt haben.
Warum heute? Heute ist doch ein Vermietermarkt! Das stimmt, heute sind die Auslastungszahlen hoch und Mietinteressenten stehen in guten Lagen Schlange. Doch spricht die Immobilienwirtschaft selbst immer öfter von einem bevorstehenden „Turn-down“. Daher ist es nur konsequent und ein Zeichen eines vorausscheuenden Handelns, sich bereits jetzt auf die Zukunft vorzubereiten und nicht zu sagen „das haben wir schon immer so gemacht. Das ist noch immer gut gegangen!“. Nur die modernen und innovativen Anbieter werden das Optimum herausholen und Krisen besser überstehen. Mein Beispiel ist immer die Deutsche Bank, die immer in Zeiten von Rekordgewinnen Personalabbauprogramme durchgesetzt hat. Da hatte man das Geld für Abbau und hat sich für kommende schlechtere Zeiten aufgestellt. Die Bank hat vieles falsch gemacht – aber das war immer konsequent.
Die Immobilienwirtschaft glaubt im Bereich Konkurrenz, dass alles immer so weitergeht – spricht aber im nächsten Moment vom drohenden „Turn-down“ des Marktes. Nicht ganz so konsequent … aber noch nicht pathologisch 😉