Spannende Zeiten … folgt die EZB der FED – und wenn ja, wie weit und wie schnell?
Die FED hat die Zinsen gestern deutlich erhöht und der Markt sieht einen klaren Zeitplan weiterer Schritte. Es ist damit Konsens, dass die FED die Inflation wirksam bekämpfen wird. Dies wird die Unsicherheit auf den Märkten und in der Wirtschaft nehmen und beruhigen und teilweise die Märkte sogar unterstützen.
Die EZB hat in Teilen auch sehr deutliche Worte gefunden. Frau Schnabel stellt im gestrigen Handelsblattinterview die Preisstabilität über alles, auch über die Problematik der hohen Staatsverschuldung der Problemstaaten des Euro (salopp gesagt, die „Rotweintruppe“); sie vertritt hier eher die Falken. Sicherlich finden sich aber innerhalb der EZB auch noch Verfechter sanfteren Vorgehens. Derart deutliche Interviews können natürlich bereits als Maßnahmen bewertet werden, die die Entschlossenheit der EZB verdeutlichen soll – auch wenn bisher nicht gehandelt wurde.
Allerdings ist wohl tatsächlich im Juli mit einem ersten zaghaften Zinsschritt zu rechnen. Ob im weiteren Jahresverlauf weitere Zinserhöhungen folgen, wird jeweils tagesaktuell von den dann herrschenden Inflationszahlen abhängen. Sollte die Inflation akut sinken und auch der Forecast für 2023 unter 4 % verharren, wird die EZB wieder vorsichtiger agieren. Anders als die FED muss die EZB Rücksicht auf die verschuldeten Staaten nehmen und kann daher nur so lange höhere Zinsen akzeptieren, wie es die Fristigkeit der noch niedrig verzinsten Verbindlichkeiten der Schuldenstaaten zulässt. Offiziell wird natürlich auch die Gefahr hoher Zinsen für die krisengeplagte Wirtschaft angeführt. Hiernach könnte es daher zu einem „Zinsbuckel“ kommen, der am Ende sicherlich etwas höher endet als er startete.
Grundsätzlich bleibt zu erwähnen, dass die Eurozone, wie andere hoch entwickelte Industriestaaten auch, langfristig kaum ein nachhaltiges und langfristiges BIP-Wachstum über 2 % erwirtschaften kann. Dagegen sprechen auch demografische Faktoren. Dies spricht auch gegen langfristig sehr hohe Zinsen, die dann nicht refinanziert werden könnten.
Zu beachten ist auch, dass die letzte echte Hochzinsphase in den 90er Jahren stattfand – noch vor der Einführung des Euro. Da konnten die Währungen noch freier, je nach wirtschaftlicher Situation und Zinsniveau, sich gegeneinander auf- und abwerten. Dies ist in der heutigen, sehr heterogen zusammengesetzten Eurozone nicht mehr möglich.
Spannend bleibt die weitere Entwicklung am Energiemarkt. Ein Ölembargo und ein evtl. folgender Gasstopp aus Russland werden die Preise treiben, die Wirtschaft aber stark belasten. Sind in diesem Fall Zinserhöhungen für die Wirtschaft verkraftbar? Oder folgt eine Zinserhöhung gegen die Inflation, kombiniert mit einem Anleiheankaufprogramm für Staaten und Unternehmen.
Zusätzlich sind die Zweitrundeneffekte, insbesondere Lohnerhöhungen, zu beachten. Wenn es gelingt, die Inflation zu dämpfen bevor große Tarifabschlüsse die Inflation zusätzlich anheizen, kann die Inflation auf Jahressicht wieder auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden. Dann könnte die EZB auch die Zinsschraube nicht so stark andrehen und die Schuldenstaaten der Eurozone sowie der Euro hätten kein Problem. Gelingt dies nicht, müssen wir uns auf eine längere Zeit höherer Inflation einstellen und können die Schuldenstaaten und den Euro später nur noch durch Eurobonds oder EU-finanzierte Rettungspakete auffangen.
Daher tut die EZB meines Erachtens gut daran, schnell Entschlossenheit zu zeigen und zu handeln, um ggf. später insgesamt weniger eingreifen zu müssen.
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Eine Kriegsinflation wird nicht zwingend bei den Löhnen 1:1 durchschlagen und somit werden die Zweitrundeneffekte auch schwächer ausfallen.