Michael Piontek
31.03.2022
Allgemein Keine Kommentare
Im Abklingen der Coronakrise haben sich Aktien- und Zinsmärkte durch Aussicht auf Verbesserung der Situation seit 2021 deutlich erholt. Der DAX hatte in der Folge historische Rekordstände erreicht, blieb aber volatil. Im Rahmen der Ukrainekrise hat der DAX zwischenzeitlich deutlich nachgegeben.
Die Inflation ist bereist seit 2021 aufgrund höherer Energiepreise (insb. Öl) gegenüber den sehr niedrigen Werte 2020 / 2021 gestiegen. Bisher gingen wir davon aus, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte wieder geringer ausfallen würde, da insbesondere die Energiepreise keinen Input mehr liefern würden.
Die EZB hatte bereits ihr Inflationsziel auf einen Bereich um 2 % erhöht. Dadurch verschafft sich die EZB weitere Flexibilität und Spielraum, um bei steigender Inflation nicht direkt agieren zu müssen. Dies bestätigt wohl die „Hidden agenda“, die Zinsen dauerhaft niedrig halten zu wollen, um die Schuldenstaaten der Eurozone mit „billigem Geld“ versorgen zu können – auch wenn die Inflation stärker und nachhaltig steigen sollte. Daher gingen wir bisher davon aus, dass die EZB nur sehr moderat eine Zinswende vor dem Hintergrund der Inflation einläuten würde. Die EZB prognostizierte bisher eher eine in der zweiten Jahreshälfte wieder fallende Inflation. Nach einer Straffung und ggf. einem Auslaufen von Anleiheankäufen in 2022 wäre ggf. eine Zinsanhebung Mitte 2023 zu erwarten gewesen.
Da die FED aufgrund noch höherer Inflation die Zinswende schneller und stärker betreibt, ist der USD wie vorhergesagt gegen den Euro gestiegen.
Die Ukrainekrise und die damit einhergehenden Effekte, insbesondere die rasant steigenden Energiepreise, die umfassenden Sanktionen und erheblichen Kosten für den Staat aus Aufrüstung und Subvention von Energiekosten für Bürger und Wirtschaft, werden erhebliche Auswirkungen auf alle Bereiche der Wirtschaft und Finanzmärkte haben. Wir sehen hier Risiken, die die Finanzmarktkrise 2008/2009 und die Coronakrise potenziell deutlich übertreffen könnten.
Die Energieversorgung ohne Lieferungen aus Moskau wird eine enorme Herausforderung und zu einem wirtschaftlichen Abschwung führen, da es zu Produktionseinschränkungen kommen wird. Zusätzlich werden fehlende Zulieferungen aus der Ukraine die Wirtschaft (insb. Automotive) belasten. fehlende Weizenlieferungen werden die Preise und die Inflation zusätzlich treiben.
Die westlichen Industriestaaten werden nach den erheblichen Kosten der Bewältigung der Coronakrise noch größere finanzielle Lasten tragen müssen, um die Folgen aus der Ukrainekrise abzumildern. Das wird eine hohe Neuverschuldung aller betroffenen Staaten zur Folge haben, und insbesondere die bereits hochverschuldeten Südstaaten der Eurozone treffen.
Die Inflation wird zuerst weiter steigen und auch länger auf höherem Niveau verharren als bisher erwartet. Der Jahresdurchschnitt könnte bei 5-6 % liegen, nach zuvor prognostizierten 3-4 %. Sollte die Inflation zumindest mittelfristig so hoch bleiben, werden Zweitrundeneffekte die Inflation weiter befeuern (z. B. Gehälter, Transportkosten, Baukosten, Energiekosten für Mieter und Gewerbe).
Je schneller die Ukrainekrise beendet wird, desto wahrscheinlicher wird sich die Lage etwas normalisieren. Allerdings wird der Westen sich dennoch in Bezug auf Energielieferungen von Russland abkoppeln müssen. Diese Zeitenwende wird sich nicht zurückdrehen lassen.
Während die variablen Zinsen noch relativ stabil sind (unter -0,4% für den 3-Monats-Euribor) sind die langfristigen Zinsen (10 Jahres-Swap gegen den 3-Monats-Euribor) deutlich auf 1,2% gestiegen.
Jetzt stellt sich die Frage, wie die EZB reagieren wird.
Die langfristigen Zinsen, die der Kontrolle der EZB stärker entzogen sind, werden aufgrund des Marktdrucks und der Erwartung von zukünftig höheren Zinsen wohl potentiell noch steigen. Es bleibt abzuwarten, wie weit – das hängt von der Markterwartung zu möglichen EZB-Handlungen ab.
Die EZB steht vor der misslichen Lage, eine stark steigende Inflation durch steigende Zinsen bekämpfen zu müssen. Die Inflation ist zwischenzeitlich auf über 7% gestiegen. Die Zinswende müsste daher schneller und ggf. stärker erfolgen als bisher erwartet. Auf der anderen Seite könnten die verschuldeten Euroländer, die jetzt vor noch deutlich höheren Verschuldungen stehen, steigende Zinsen noch nicht einmal auf die vorhandene Verschuldung tragen.
Szenarien der weiteren Entwicklung:
- Die EZB könnte die Geldpolitik straffen und kurzfristiger den Leitzins erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen. Die Ukrainekrise-Folgekosten müssten von den Staaten oder der EU direkt durch Hilfspakete finanziert werden. Dies könnten die Schuldenstaaten der EU wohl nur über eine gemeinschaftliche Verschuldung auf Euroebene (Eurobonds oder EZB-Finanzierung) schultern, was zusätzlich zu Vermischungen mit den bereits bestehenden Überschuldungen führen würde. Seitens der stärkeren „Nordländer“ würde dies auf Widerstand treffen, da sie bereits der Coronafinanzierung durch die EZB kritisch gegenüberstanden. Ob das aktuelle Momentum der Solidarität in der Ukrainekrise ausreicht, diesen Widerstand zu überwinden und ggf. weiter Präzedenzfälle in Richtung Eurobonds & Co. zu schaffen ist fraglich. Andererseits könnte alternativ die Eurozone zerbrechen, wenn die Südländer die Schulden nicht mehr tragen können.
- Die EZB könnte die Chance der steigednen Schulden und dem dadurch erforderlichen Stützen der Südländer nutzen und die Zinswende aktiv verschieben, die Anleiheankaufsprogramme verlängern und die Zinsen niedrig halten. Dadurch könnten die Schuldenstaaten die Lasten tendenziell allein finanzieren und würde mit einer Restverantwortung und Kostendisziplin einhergehen. In diesem Fall könnte die Inflation jedoch aus dem Ruder laufen, die nicht mit niedrigen Zinsen bekämpft werden könnte (vgl. Türkei, Erdogan). Hierdurch würden die Euro-Schuldenstaaten erneut mit „billigem Geld“ versorgt und die „Hidden Agenda“ der EZB verfolgt werden. Allerdings wäre die Ursache der Inflation durch Subventionen der Treiber (z. B. Energie) bekämpfbar. Ein Erfolg könnte nur eintreten, wenn ein kurzfristiges Ende der Ukrainekrise und die Rückkehr in den vorkrisenzeitlichen Wirtschaftszustand gewährleistet sei. Letzteres ist selbst bei einer kurzfristigen Beendigung des Krieges aufgrund der umfassenden Sanktionen und deren Auswirkungen schwer vorstellbar. Allerdings würde ein Wiederaufbau und Wiederaufrüstung positive Wirtschaftssignale setzen.
- Die EZB könnte am aktuellen Kurs festhalten und die Anleihekäufe etwas zügiger reduzieren und in Aussicht stellen, die Zinsen ggf. früher in 2023 anzupassen. Dieses Handeln würde dem Markt signalisieren, dass die EU reagiert und die Inflation zu bekämpfen bereit ist. Hierbei würde die EU Zeit gewinnen, um die weitere Entwicklung beobachten zu können. Dabei dürfte die Hoffnung mitspielen, dass es vorerst bei dem beschleunigten, aber ohnehin bereits angekündigten und eingepreisten Auslaufen der Anleihekäufe bleibt und sich die Situation – insbesondere die Inflation – vor einer echten Zinserhöhung bis zum Jahresende entspannen könnte. Der Fokus wird ohnehin zunächst eher auf konkreten Hilfsprogrammen der Staaten und der EU als auf günstigen Krediten durch niedrige Zinsen liegen. Zur Finanzierung der steigenden Staatsschulden wird die EZB aber versuchen, die Zinsen nicht zu stark steigen zu lassen, oder dann ausschließlich Staatspapiere der Schuldenstaaten zur Subvention erwerben (was einer „verbotenen“ direkten Staatsfinanzierung entspräche).
- Der Konflikt in der Ukraine könnte sich ausweiten und auch die NATO (zumindest Teile) in einem konventionellen Krieg einbeziehen. Je nach Umfang der Einbeziehung der NATO hätte dies katastrophale Folgen in allen Branchen, eine Kriegswirtschaft, massive Zinssteigerungen, Abwertungen des Euros, grassierende Inflation und wirtschaftliche Einbrüche. Dieses Szenario ist aber aktuell als unwahrscheinlich zu betrachten, da Russland bereits die jetzigen wirtschaftlichen Einbußen nicht langfristig tragen könnte und wohl auch militärisch zu einer kriegerischen Ausweitung nicht in der Lage zu sein scheint.
Ich gehe daher davon aus, dass die EZB den Mittelweg, die dritte Variante wählen und zunächst zuwarten wird, wie sich die Ukrainekrise entwickelt und ob die Inflation im weiteren Jahresverlauf tatsächlich so hoch bleibt. In diesem Szenario werden die kurzfristigen Zinsen vorerst niedrig bleiben und bis zum Jahresende nur leicht steigen, die langfristigen Zinsen werden sich auf bis zu 1,5 % zum Jahresende 2022 erhöhen. Allerdings wird sich diese Position nur halten lassen, wenn die Ukrainekrise in der ersten Jahreshälfte beendet wird. Die europäische Wirtschaft wird aber noch länger mit den Folgen (insb. höhere Energiekosten) zu kämpfen haben, bis eine ausreichende unabhängige Ersatzbeschaffung gesichert ist. Dies könnte auch ein Ansatz für die EZB sein, weiterhin niedrige Zinsen zu begründen. Es bleibt zu beobachten, dass es im Widerstreit der Inflationsbekämpfung (Zinsen aufwärts) und einer Sicherung der Finanzierbarkeit durch die Schuldenstaaten und ggf. Stützung der Wirtschaft (Zinsen bleiben niedrig) nicht zu einer „Erdoganisierung“ der EZB-Politik kommt.
Der Euro würde aber gegenüber dem USD bis zur Parität weiter abwerten.
Der Zinsunterschied zwischen kurzfristigen Zinsen (3 Monate) und langfristigen Zinsen (10 Jahre) liegt nunmehr bei rd. 1,6 % und damit im langfristigen Vergleich noch gering bis normal. Daher ist derzeit durch einen höheren variablen Anteil ein gewisser Zinsvorteil zu realisieren. Der Abstand zwischen den lang- und kurzfristen Zinsen hat sich wie erwartet weiter erhöht (Versteilung der Zinskurve).
Michael Piontek
31.01.2022
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Seit lange wird diskutiert, ob und wie stark Zinsen die Immobilienpreise beeinflussen. Für mich ist es klar, dass Zinsen in mehreren Bereichen die Immobilienpreise beeinflussen:
- über die Kosten des Fremdkapitals,
- über die Verzinsung von Alternativanlagen,
- über direkte und indirekte Inflationseinflüsse.
Es ist nachvollziehbar, dass bei Immobilienanlagen mit höherem Fremdkapitaleinsatz steigende Zinsen höhere Immobilienrenditen zur Bedienung der Annuitäten erfordern. Ein Beispiel wäre sicherlich der Kleinanaleger, der einzelne Wohnungen oder kleinere Mehrfamilienhäuser als Kapitalanlage erwirbt und finanziert.
Im professionelleren Bereich (auch gewerbliche Anleger) wird deutlich mehr Eigenkapital eingesetzt. Hier ist aber zu beachten, dass deren Renditeerwartungen in Konkurrenz zu Alternativanlagen stehen. Wenn also andere Anlageformen höheren Renditen versprechen, muss die Immobilienanlage auch höhere Renditen bieten um wettbewerbsfähig zu sein.
In beiden Fällen sind höhere Renditen natürlich gleichbedeutend mit geringeren Kaufpreisen bzw. Immobilienwerten.
Steigende Zinsen können auf der anderen Seite Geld verknappen und damit Inflation senken. Wenn aber Inflation nicht mit steigenden Zinsen bekämpft wird, kann die Inflation in der Folge auch dynamisch ansteigen. Die Inflation kann dann entsprechende Auswirkungen auf alle Kosten- und Ertragszahlungsströme haben – und damit auch auf de Immobilienwerte.
In Deutschland haben die steigenden Zinsen im Jahr 2022 noch nicht zu deutlichen „Bremsspuren“ bei den Immobilienpreisen geführt. Im kleinteiligeren Bereich wird es sich wohl auch zuerst im Kleinanlegerbereich niederschlagen. Die Eigennutzer werden, insbesondere in den größeren Städten, aufgrund der Mangelsituation auch weiterhin bereit sein, entsprechende Preise zu zahlen. Erst später wird es ggf. auch hier Dämpfungen geben.
Im professionellen Bereich ist die Nachfrage und das verfügbare Eigenkapital noch unverändert hoch, das treibt die Preise. Hier wird es aber aufgrund der Alternativanlagen ab einem gewissen Zinserhöhungspotential gewisse Preisdämpfungen bzw. Erwartungen an gleichbleibende bis ggf. geringere Renditen geben. Andernfalls wird Eigenkapital dann auf andere Assetklassen verlagert.
Erste Effekte sind bei den sehr sensiblen Börsenkursen der notierte Wohnimmobilien-AGs zu betrachten. im August 2021 lagen die 10-Jahreszinsen auf einem langfristigen Tiefststand. Seitdem sind diese Zinsen nachhaltig gestiegen, inzwischen um ca. 0,7%. Gleichzeitig sind die Aktienkurse der führenden AGs um rd. 20% zurückgegangen. Da es alle größeren Gesellschaften betrifft, scheint die Entwicklung unabhängig von Ereignissen bei einzelnen Gesellschaften.
Die börsennotierten AGs sind ein sehr sensibler Gradmesser für Entwicklungen. In den Beginnen der Gesellschaften an der Börse lagen deren Kurse dauerhaft unter NAV. Erst nach einigen Jahren und steigender Popularität der Gesellschaften für größere Kapitalanleger stiegen die Aktienkurse über NAV/Aktie. Die Büro-AGs folgten dieser Entwicklung fast 2 Jahre später. Jetzt scheint eine gegenteilige Bewegung für die Wohn-AGs unter NAV eingesetzt zu haben. Ein Weg über NAV wäre, dass die NAVs durch Immobilienabwertung sinken. Das könnten die Kurse jetzt vorwegnehmen. Die Kurse könnten diese Erwartung des Marktes zeigen bzw. einpreisen.
Im Ergebnis scheint es erste Indikatoren zu geben, dass die steigenden Zinsen die Bewertung der Immobilien-AGs und damit der Immobilien negativ beeinflussen.
Sollte diese Entwicklung nachhaltig sein, wird sich dies auch im Assetmarkt zeigen und mit zeitlicher Verzögerung auch die Büromärkte betreffen. Die Entwicklung bleibt spannend – und abzuwarten.
Diese Ausführungen stellen nur persönliche Meinungen dar und sind natürlich keinerlei Anlageempfehlung in Bezug auf Aktien.
Michael Piontek
10.01.2022
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Die langfristigen Zinsen (z. B. der 10 Swapsatz gegen den 3-Monats-Euribor) sind Mitte Dezember um 0,25% auf plus 0,32% deutlich gestiegen, gegenüber Mitte August um 0,45% und seit Januar 2021 mit erheblichen Volatilitäten um sogar 0,60%.
Das kurzfristige Zinsniveau (z. B. der 3-Monats-Euribor) ist im gleichen Zeitraum mit rd. -0,55% nahezu unverändert geblieben, während der EONIA sogar noch leicht um 0,02% nachgab.
Insgesamt kam es daher zu einer deutlichen Versteilung der Zinskurve, der Unterschied zwischen 3 Monaten und 10 Jahren stieg auf über 0,8%.
Was sind die Ursachen? Die kurzfristigen Zinsen orientieren sich naturgemäß stark an den Leitzinsen der EZB; diese sind unverändert niedrig und der Einlagesatz der Banken bei der EZB liegt ebenso unverändert bei -0,5%.
Die langfristigen Zinsen sind deutlich stärker marktgetrieben. Während die erheblichen eingesetzten Mittel der Euro-Rettungsmaßnahmen i. R. der Finanzmarktkrise noch im Wesentlichen nicht in den freien Markt wirkten, werden i. R. der Coronakrise erhebliche Beträge zur Stützung von Märkten und Unternehmen bereitgestellt. Diese erhebliche zusätzliche Liquidität birgt ein erhebliches Inflationsrisiko.
Die Inflation lag dennoch in der Eurozone und den Einzelstaaten jahrelang sehr niedrig (bis Ende 2020 sogar zeitweise negativ), nun ist seit Mitte 2021 zum ersten Mal ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen.
Die Gründe der steigenden Inflation sind mehrschichtig. Zum Einen gibt es temporäre Effekte der Veränderungen 2021 gegenüber außerordentlich niedrigen Preisen 2020 aufgrund der temporären Senkung der Mehrwertsteuer sowie des sehr niedrigen Ölpreises aufgrund der Coronapandemie. Neben diesen durch Zeitablauf vorübergehenden Effekten wirken zum Anderen nunmehr die internationalen Lieferengpässe sowie die Einpreisung der gestiegenen Energie- und Transportkosten auf eine Vielzahl von Handelsprodukten und Dienstleistungen inflationserhöhend.
Die EZB hat ihr Inflationsziel bereits flexibilisiert und damit erhöht auf um 2% und argumentiert nun mit einem erwarteten Absinken der aktuell sehr hohen Inflation von über 5%. Mit diesem Argument werden Zinserhöhungen derzeit abgelehnt. Selbst das Zugeständnis einer Reduzierung des Anleiheankaufprogrammes PEPP wurde durch eine Erhöhung des „normalen“ Anleiheankaufprogrammes ausgeglichen, bei dem jetzt auch gezielter – abweichend von der Normalverteilung über alle Länder der Eurozone – Anleihen von schwächeren Euro-Staaten erworben werden sollen. Hier wird die wahre (hidden) Agenda der EZB deutlich: Es geht ihr nicht um Preisstabilität sondern um eine Versorgung der schwachen und überschuldeten Euro-Staaten – auch um ein Auseinanderbrechen der Eurozone zu verhindern. Das dies nur über immer mehr Geld gehen wird ist klar, das wird aber auch wieder die Inflation befeuern.
Langfristig werden die hoch verschuldeten Euro-Staaten, die auch Reformunfähig oder zumindest Reformunwillig erscheinen, nur in der Eurozone überleben können, wenn dort die Zinsen für ihre Staatsschulden langfristig niedrig, am besten niedriger als die Inflation sind und bleiben. Dadurch könnten diese Euro-Staaten faktisch entschuldet werden. Bei einem BIP-Wachstum im Bereich der Inflation würde die Verschuldungsquote selbst dann sinken, wenn nicht die Staatsschulden nicht nur nicht getilgt sondern auch die laufenden Zinsen auflaufen und nicht bedient würden. Zu Letzterem wird es hoffentlich nicht kommen.
Die EZB wird weiterhin hoffen und argumentieren, dass die Inflation aufgrund der temporären Effekte wieder sinken wird und daher keine Zinswende erforderlich sein wird. Ich gehe auch von einem leichten Absinken der Inflation aus, die Inflation wird aber in der Gesamtsicht 2022 über 3% bleiben. Der Markt wird in der Folge die langfristigen Zinsen weiter moderat steigern, was zu einer weiteren Versteilung der Zinskurve führen wird. Dies ist aber auch kein Problem, da hierdurch die Banken wieder mehr Ertragspotential aus der Fristentransformation haben. In der Vergangenheit waren auch Zinsabstände von über 3% kein Problem.
Im Ergebnis wird die EZB gar nicht von der Niedrigzinspolitik abweichen können, will sie nicht die Eurozone und damit die eigene Existenz gefährden. Die Targetsalden sind bereits so hoch, dass auch ein Austritt von Schuldenstaaten nicht mehr verkraftbar wäre. Daher wir die EZB, selbst wenn die Anleiheankaufsprogramme auslaufen sollten, die Leitzinsen (die sich immer im kurzfristigen Bereich bewegen) nicht anheben.
Daher werden die kurzfristigen Zinsen in 2022 stabil bleiben und die langfristigen Zinsen ggf. noch um maximal 0,5% ansteigen.
Parallel wird die FED die Zinsen in den USA in 2022 allerdings anheben und damit auch den Kurs des USD gegenüber dem EUR ansteigen lassen. Dies könnte wiederum positiv für die Exportindustrie (insb. Deutschlands) sein.
Verlierer sind die Halter von Geldvermögen (Sparer).
Michael Piontek
03.11.2021
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Klimaschutz im Immobilienbereich führt unweigerlich zu ESG und der Umsetzung der EU-Taxonomie, die noch nicht abgeschlossen ist. Viele Firmen arbeiten aber natürlich bereits an den Themen und ermitteln den eigenen Co2-Footprint als Ausgangsbasis und ernten dabei gleich mit ersten Maßnahmen die „low-hanging-fruits“…
Doch was passiert weiter, wenn wir mit Strom aus regenerativen Quellen und „grüner“ Wärme formal den wesentlichen laufenden Betrieb als Co2-neutal definieren? Natürlich wird man sich die weiteren Prozesse und Co2-Bilanz beauftragter Dienstleister wie z. B. Müllentsorgung, Reinigungsunternehmen und Anwälte/Steuerberater ansehen müssen.
Zudem wird es sicherlich in näherer Zukunft einen Co2-Zertifikatehandel geben. Damit werden die Co2-Werte dann auch tatsächlich in Euro und Cent rechenbar. In der Folge werden für Baumaßnahmen (die naturgemäß Co2 emittieren) Zusatzkosten für die Co2-Emissionen fällig und in die Gesamtkalkulation einzupreisen.
Doch wie stellt sich die Co2-Bilanz der energetischen Sanierung tatsächlich dar? Die Baumaßnahmen (insb. mit Zement) sind stark Co2-lastig. Was wird am Ende an Energie eingespart? Und wenn die Energie ohnehin aus regenerativen Quellen kommt – gibt es dann überhaupt eine zukünftige Co2-Ersparnis?
Werden sich energetische Sanierungen in einer Co2-Betrachtung in der Folge überhaupt „rentieren“? Entweder im Rahmen ersparter Energie wirtschaftlich, wenn hier noch die Co2-Emissionen der Baumaßnahmen zusätzlich mit 50-200 EUR/to. Co2 eingerechnet werden müssen? Oder in Bezug auf den Co2-Footprint insgesamt, wenn die Ausgangslage durch den Einsatz regenerativer Energien bereits weitgehend neutralisiert wurde?
Wie gehen wir mit anderweitigen Ertüchtigungen, Mieterumbauten und z. B. Änderungen von Nutzungsarten um? Werden diese Umbauten aufgrund horrender Co2-Abgaben unwirtschaftlich, wenn der Mieter nicht bereit ist deutlich höhere Mieten zu zahlen, und zukünftig unterbleiben?
Und was ist mit dem Neubau von Flächen? Hier fehlt eine zukünftige Ersparnis wenn nicht zeitgleich eine „umweltschädlichere“ Immobilie rückgebaut wird (Entsiegelung von Grundstücksfläche). Wird es überhaupt noch Neubau geben? In Berlin wurde zuletzt dem Bund aufgegeben, für einen Neubau im Regierungsviertel an anderer Stelle in Berlin Fläche als Ausgleich zu entsiegeln. Aber wir kennen auch die Argumentation in einem anderen Bereich: Es ist derzeit umweltfreundlicher einen alten Kühlschrank der Energieklasse D weiter zu betreiben, als diesen zu entsorgen und einen neuen Kühlschrank der Energieklasse A+++ zu produzieren. Wird diese abstrakte „Rechnung“ auch auf den Neubau von Immobilien, insbesondere bei gleichzeitigem Abriss von Altimmobilien, zutreffen?
In Berlin haben Politiker der Grünen (Landesarbeitsgemeinschaft der Grünen) argumentiert, dass der U-Bahn einer Strecke abzulehnen sei, das sich der Neubau wegen der enormen Co2-Belastung (auch hier: Zement) klimatechnisch erst in 114 Jahren „rechnen“ würde. (Quelle: https://taz.de/Gruene-Debatte-ueber-U-Bahn-Bau/!5749504/). Und hier haben als Kompensation die Vermeidung umweltschädlichen Auto-Verbrenner-Individualverkehrs. Trifft diese Ablehnung künftig auch auf den Neubau von Büroimmobilien zu? Werden Bauanträge und -genehmigungen in Zukunft auch eine Co2-Einsparkompenente enthalten müssen?
Die aktuelle Bestanderhebung und Szenarienbildung der Bewirtschaftung heute und in der Zukunft löst erhebliche Fragen aus. Sowohl in Bezug auf energetische Sanierung, tatsächliche Co2-Ersparnisse als auch in Bezug auf das Kerngeschäft der Immobilienwirtschaft: Der Errichtung und den Betrieb von (Büro-)Immobilien.
Es besteht die Gefahr, dass Umbauten und Sanierungen deutlich teurer und unwirtschaftlicher werden – und das Neubauten ggf. noch schwieriger eine Baugenehmigung erhalten werden. In der Folge würden die bestehenden Immobilien deutlich länger und ohne weitere Umnutzungen und Umbauten weitergenutzt – bis ein Abriss unumgänglich ist.
Michael Piontek
27.09.2021
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Grüne Pfandbrief sind beliebt, der siebte gründe Pfandbrief der BerlinHyp war z. B. sogar mehrfach überzeichnet und konnte daher am Ende 3 Punkte unter Mid.-Swap platziert werden (Startgebot war 1 Punkt über Mid-Swap).
Grundlage ist ein Deckungsstock aus geeigneten Objekten, deren Eigentümer entsprechend in die Immobilien investiert haben um einen „grünen Standard“ zu erreichen. Der Standard ist sicherlich noch im Wandel, so schreitet die Umsetzung der EU-Taxonomie noch voran. Die DGNB-Standards spielen eine große Rolle, andere (eher angelsächsiche Player) schauen auch noch auf die LEED-Zertifizierungen.
Doch welcher Standard auch immer gesetzt wird, die günstigen und in der Zukunft günstigeren Refinanzierungskonditionen kommen bei den Immobilieninvestoren noch nicht in Form günstigerer Darlehenskonditionen an.
Damit fehlt ein wichtiger Kompensationsfaktor für die notwendigen, erheblichen klimaschonenden Investitionen. Die meisten Immobilieneigentümer arbeiten an Nachhaltigkeitskonzepten, die natürlich vor allem zuerst die Co2-Reduzierung im Blick haben. Neben dem aktiven Klimaschutz motivieren hier sicherlich auch zukünftig befürchteten Nachteile bei Vermietung und Veräußerung von Immobilien an ESG-sensible Kunden. Das kann Miethöhen und Immobilienwerte negativ beeinflussen.
Doch muss man schon die Frage stellen, wann sich die Investitionen auch bei den Finanzierungskonditionen positiv bemerkbar machen. Zwar sind die Zinsen derzeit generell niedrig, dafür sind die Immobilienpreise historisch hoch.
Wenn die Immobilienwirtschaft also den Banken Immobilien für einen grünen Deckungsstock „zur Verfügung stellt“, dann muss dafür auch eine Rendite in Forme vergünstigter Darlehenskonditionen erzielt werden können. Das Gegenbeispiel von Zinsaufschlägen für nicht nachhaltige Immobilien könnte natürlich auch noch eintreten – dies käme dann einer „Strafe“ nahe. Dabei muss man beachten, dass einige (insbesondere denkmalgeschützte) Immobilien gewisse Standards nicht erfüllen können. Und wenn wir weiter an die Nutzer denken, so wird es immer Mieter geben, die ggf. den Vorstellungen einer ESG-konformen Nutzung nicht nahestehen – aber dennoch wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind. Hier wird man nicht ganze Branchen ausgrenzen können. Daher halte ich Aufschläge zur Negativausgrenzung für den falschen Weg.
Ich hoffe, dass spätestens mit Umsetzung der EU-Taxonomie hier mehr Klarheit einziehen wird. Allerdings könnten auch bereits jetzt die Banken, die sich ein grünes Image für einen grünen Deckungsstock durch ihre Kunden geben, diese Kunden auch an den finanziellen Vorteilen partizipieren lassen. Dies würde die Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft zusätzlich unterstützen.
Michael Piontek
19.07.2021
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In der Coronakrise hat sich gezeigt, dass sich viele Immobilienbestandshalter ganz gut „geschlagen“ haben. Wichtige Einflussfaktoren waren der die Nutzungsarten und -branchen im Portfolio und die Möglichkeit direkt mit betroffenen Mietern in Kontakt und Verhandlungen zu treten.
Von Vorteil waren natürlich solide Finanzkraft, Transparenz und das aktive Management der Coronahilfen durch die Vermieter und Mieter. Ein hoher Anteil an Wohn- und Büroflächen war in dieser Krise von Vorteil.
Problematisch war ein hoher Bestand von angeordneten Schließungen betroffener Branchen wie Handel, Hotel, Gastronomie und deren Dienstleister (bis zu Reinigungen etc.). Beim Handel war der Nahrungsmitteleinzelhandel etc. natürlich nicht betroffen.
Was haben wir also aus der Krise gelernt? Was können wir für zukünftige Krisen (die wir noch nicht kennen) für Schlüsse ziehen?
Diversifikation: Es macht aus der Risikosicht sehr viel Sinn in verschiedenen Assetklassen und Nutzungsbranchen investiert zu sein. Wenn man selbst aber vor allem auf eine Assetklasse spezialisiert ist kann man noch die Nutzungsbranchen differenzieren. So können Handelsflächen von Food- und Non-Food-Händlern benutzt werden. Auch Beratungscenter von Krankenkasse oder Ärzte kommen als Mieter in Farge, Apotheke ohnehin. Büroflächen können von verschiedensten Branchen genutzt werden.
Mieterratings: Naturgemäß kommen finanziell besser aufgestellte Mieter besser durch Krisen. Am sichersten sind natürlich kommunale, landeseigene oder bundeseigene Mieter.
Sicherheiten: Die Mietsicherheiten sollten ggf. je nach Assetklasse oder Nutzungsart (-branche) flexibel angepasst und tendenziell erhöht werden. Auch ist darauf zu achten, dass bei Prolongationen und Mietanpassungen auch die Mietsicherheiten immer an die neue Miethöhe angepasst werden, damit im Ernstfall die maximale Mietsicherheit auch tatsächlich vorhanden ist.
Portfolioumbau bzw. -anpassung: Man kanns ich grundsätzlich von Klumpenrisiken in bestimmten Nutzungsarten trennen oder reduzieren. Auch eine beschleunigte Anpassung an neue Nutzungsanforderungen kann sinnvoll sein, so z. B. auch ein Umbau zweigeschossigen Einzelhandels in eingeschossigen Handel und Büro (im OG). Bei der Gastronomie ggf. ggf. ein Fokus auf Spitzengastronomie. Im Bürobereich vielleicht ein beschleunigter Umbau zu flexibleren Bürokonzepten.
Wachstum: Größe kann in diesem Zusammenhang auch sehr hilfreich sein. Wenn ausreichend finanzielle Mittel aus dem Gesamtbestand zur Verfügung stehen, können Probleme in Teilbereichen besser gelöst werden. Banken und Kapitalmarkt sind ruhiger, man kann ggf. sogar im Rahmen einer Krise zukaufen.
Was könnten zukünftige Krisen sein?
Neben der nun bekannten pandemiebedingten Krise und dem vor einer Dekade eingetretenen Finanzmarktkrise könnte ein
- allgemeiner wirtschaftlicher Einbruch in Folge des demografischen Wandels und einer Stagnation von Wachstum und Nachfrage eintreten.
- Wahrscheinlicher sind noch Verwerfungen aufgrund der Klimakrise, die neben Umweltschäden erhebliche Eingriffe der Politik zur Folge haben wird. Denkbar sind erhebliche Steuerungseingriffe der Politik, die ganze Branche (Energiewirtschaft, Autoproduktion, Nahrungsmittelwirtschaft) umkrempeln und ggf. auch große Teile bisher erfolgreicher Branchen ruinieren könnte. ESG-Auswirkungen von Mieter und Käuferseiten kommen noch hinzu. Beides wird den Immobilienmarkt in den nächsten Jahrzehnten m. E. am meisten beeinflussen.
- Aber auch die Reduzierung von Büroflächennachfrage durch mehr Home-Office, Verteuerung von Mobilität könnte ganze periphäre Standorte, mit Sachbearbeitungsschwerpunkt, überflüssig machen. Gewinner wäre die absoluten Citylagen mit kleineren Zentralen, Projektteamflächen und Flagships.
Das sind jetzt nur drei einfache aber realistische Beispiele. Strategien dagegen könnte eine Konzentration auf Citylagen mit branchen- und nutzungsartübergreifenden, drittnutzbaren Flächenkonzepten sein.
Nur weil man künftige Krisen nicht genau kennt sollte man diese Möglichkeiten nicht pauschal ignorieren. Sonst wird man ggf. in der nächsten Krise zu den Verlierern gehören.
Michael Piontek
24.06.2021
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Die Immobilienwirtschaft nimmt in Bezug Nachhaltigkeit langsam Fahrt auf. Häufig wird dies aber erst einmal nur mit dem Energieverbrauch und dessen Erhebung und ggf. Reduzierung in Verbindung gebracht und in „Nachhaltigkeitsstrategien“ aufgeschrieben.
Das ist natürlich ein „deutlich zu kurzer Sprung“. Unabhängig davon, ob man sich gleich ESG widmet (und damit auch „S“ und „G“ bearbeitet) ist auch nur das „E“ deutlich vielschichtiger. Ein stark eingeschränkter, reduzierter Ansatz kann auch andere Teile und Themen des „E“ später behindern. „E“ steht für „Enviromental“ und nicht für Energie. Der ESG-Ansatz zieht sich auch durch alle Ebenen und Themen des Unternehmens und des Immobilienbestandes. Enviromental betrifft neben dem Gebäude auch den Betrieb des Unternehmens selbst (Reisen, Veranstaltungen etc.) und das Social betrifft neben dem Umgang mit Mietern (Green, Brown oder ggf. Waffenindustrie?) und Mitarbeitern auch die Werklöhne und Rohstoffbezüge der beauftragten Firmen. Das „G“ betrifft neben der Unternehmensführung auch die Themen Vergütung, Compliance, Steuern auch die Unabhängigkeit von Kontrollen und Aufsichtsräten.
Allein das „E“ bezieht sich neben dem operativen Energieverbrauch des Betriebes des Gebäudes für Heizen, Kühlen, Technik etc. auch auf den Modernisierungs- und Instandhaltungsbereich. Dabei müssen natürlich die Mieterdaten und deren Stromverbrauch mit einbezogen werden. Hierzu müssen diese Daten (auch die Daten, die die Mieter direkt mit Versorgern abrechnen) aber noch von den Mietern erhoben werden. Zudem: Wie und mit welchen Techniken und Materialien wird gearbeitet? Sind diese ökologisch? Wie wirken die jeweiligen Maßnahmen auf Klimaziele, Wasserknappheit und Artenvielfalt? In der Praxis werden Fragen zu stellen sein, wie z. B.: Lehne ich einen Mieter ab, da er nicht-ökologische Ausbauwünsche hat? Dazu muss intern entweder eine eigene Kalkulationsgrundlage (ähnlich Co2-Preisen) geschaffen und etabliert werden oder eine Balance-Scorecard (Wie wirkt diese Maßnahme auf meinen Co2-Fußabdruck?). Lehne ich Mieter ab, die „Brown“ statt „Green“ sind? Auch hier wird ggf. eine Balanced-Scorecard sinnhaft sein um einen gewissen Prozentsatz „grüner“ bzw. ESG-tauglicher Mieter zu gewährleisten. Zu „E“ gehören auch die Kreislauffähigkeit und Schadstoffbelastung von verwendeten Materialien (inkl. deren tatsächliche Wiederverwendung) auch Biodiversität und das Abfallmanagement und -entsorgung. Kommt das Bauholz aus nachhaltiger Produktion mit Wiederaufforstung? Eine reine Konzentration auf Energieeinsparung führt i. d. R. zur Verwendung umweltschädlicher Dämmmaterialien, die das „E“ an anderer Stelle wieder konterkarieren. Auch werden wir feststellen, dass Co2-Einsparung oder gar Neutralität nur mit Co2-negativen Baustoffen und Ersatzmaßnahmen (Bepflanzungen etc.) zu erreichen sein wird, da ein Grundverbrauch eines Gebäudes im Betrieb für Energie und Co2 nicht dauerhaft und nachhaltig unterschritten werden kann.
Das noch weiter entfernte „S“ wirkt wie gesagt auch als Querschnittsthema. Social auf allen Ebenen betrifft neben den Mitarbeitern des eigenen Unternehmens auch die Mitarbeiter des Mieters, der Dienstleister und Baufirmen auch die Herstellung der Rohstoffe und Baumaterialien (analog Lieferkettengesetz). Wie sozial (neben dem fraglichen ökologischen Footprint) ist die Produktion der Solaranalagen, Elektroautos, Holz- und Kunststoffproduktion? Welches Geschäftsmodell verfolgt mein Mieter? Lehne ich Mieter ab, weil ihr Produkt unsozial ist? Ist die Waffenproduktion unsozial? Welche Branchen noch? Und wer definiert das? Sind Amazon, Google und Facebook sozial (auch weil sie keine Steuern in der EU zahlen?).
Das „G“ am Ende wird / sollte zu mehr Transparenz führen. Ziel ist eine gute Unternehmensführung mit Fairness und dem Einhalten aller Gesetze und Regelungen. Hört sich sich einfach an? Dann kommen wir gleich mal zum Thema Steuern. Das Umgehen von Steuerlasten im Inland durch nicht betriebsbedingte Auslandsniederlassungen dürften, wenn ggf. auch legal, nicht unter den Gedanken des „Good Governance“ fallen. Firmensitze in Luxemburg aus denen rein deutsches Geschäft betrieben wird etc. wohl auch nicht. Wie gehen die Investmentvehikel damit um, wenn das anlagesuchende Kapital Ihnen nach ESG-Kriterien dann die Mittel entzieht?
Fazit:
Wenn man sich dem Thema Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung des ESG nähern möchte muss man dies am Anfang sicherlich stückweise tun, man darf dabei aber den Gesamtblick nicht aus dem Auge verlieren. So wird jede Nachhaltigkeitsstrategie erst einmal mit einer Eingrenzung starten: „Wir haben das Gesamtbild im Blick, beginnen jetzt aber mit diesem Teilaspekt. Alle anderen Teilaspekte folgen“. Aber die Teilbereiche „E“, „S“ und „G“ muss man jeweils schon ganzheitlich denken und einheitlich in einem Schritt angehen. ESG ist ein Querschnittsthema für alle Bereiche und Tätigkeiten eines Unternehmens und können nicht einzeln gedacht werden. Un wenn man mit dem „E“ beginnt, muss man das gesamte „E“ im Blick haben. Alleinige Energieeffizienz und Co2-Footprint-Optimierung können und werden Fehlanreize in anderen Teilbereichen des „E“ setzen.
Voraussetzung für alle Maßnahmen die dem einfachen Strategiepapier entwachsen sollen ist eine Datenerfassung, – speicherung und -management aller relevanter Daten und Informationen in einer geeigneten Software mit entsprechenden Schnittstellen. Dazu gehören neben Verbrauchsdaten vor allem eine Erfassung aller relevanter Bauteile. Nur wenn ich weiß, welchen Energieverbrauch ein Bauteil, Heizung, Kühlung etc. in Erstellung, Betrieb und Entsorgung hat, kann ich mein „ESG“ überwachen und optimieren. Um technische Anlagen im Betrieb sinnhaft zu optimieren müssen diese über IP-Schnittstellen verfügen. Nur so kann auch der Verbrauch überwacht und die Energiebilanz des Gebäudes fortgeschrieben werden. „Dumme“ Technik darf jetzt sicherlich nicht mehr eingebaut werden.
Michael Piontek
10.06.2021
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Die Immobilien-AGs haben in Coronazeiten auch erhebliche Kursrückschläge hinnehmen müssen. Wie zu erwarten haben einige sich schneller erholt als andere.
Die gewerbliche Immobilien AGs liegen alle noch deutlich unter NAV, die wohnwirtschaftlichen Immobilien-AGs sind dem inzwischen NAV deutlich näher gekommen. Aber bei allen gilt: Die Bewertung vor Corona, nämlich deutlich über NAV, haben sie allesamt noch nicht erreicht.
Bei der gewerblichen Immobilien-AGs ist dies verständlich, da hier neben der Sorgen um die Vermietung an Non-Food-Händler, Hotels und betroffene Dienstleister auch die künftige Unsicherheit über die Ausprägung von Home-Office-Lösungen und damit den langfristigen Bürobedarf wirken.
bei den wohnwirtschaftlichen Immobilien-AGs dürften die Vermietungsfragen keine Rolle mehr spielen. Mietendeckel und Enteignungsfantasien sind derzeit nicht so präsent oder ernst zu nehmen. Aber Themen wie energetische Sanierung und Nachhaltigkeit können Kosten verursachen, ggf. auch eine Belastung der Eigentümer durch Co2-Kosten oder Grundsteuern. Aber hier gilt. Die großen Bestandshalter werden diese Themen besser und effizienter handeln können als Kleinunternehmen. Auch dies wird zu weiterer Konzentrierung durch Übernahmen führen.
Michael Piontek
10.06.2021
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Berlin ist nicht nur eine Reise wert, nicht nur einen Koffer sondern auch ein langfristiges Investment.
Berlin hat einige Sonderfaktoren, die es zu einem attraktiven langfristigen Standort macht. Berlin hat noch immer Nachholbedarf. Die Kaufkraft liegt in Berlin noch immer unter dem Bundesdurchschnitt. Dies ist absolut unüblich im europäischen Vergleich. Die Transformation von der Arbeiterstadt und westdeutscher „Sonderwirtschaftszone“ zur nicht nur politischen sondern auch wirtschaftlichen Hauptstadt ist noch lange nicht abgeschlossen. Daran ändert auch die föderale Struktur Deutschlands nichts, in der auch andere Landeshauptstädte wirtschaftliche Zentren sind. Im Gegenteil beweist es, dass Hauptstädte positive Beiträge zum Gesamt-BIP leisten müssen. Perspektivisch höhere Löhne und Kaufkraft lassen weitere wirtschaftliche Verbesserungen folgen.
Die Hauptstadtfunktion kann nicht überbewertet werden. Auch am Beispiel Washington D.C.’s kann man sehen, dass der Bereich der Hauptstadt immer krisenresistenter und solider aufgestellt ist als andere Landesteile. Die hohe Anzahl von Beschäftigten im öffentlichen Dienst in einer Hauptstadt bringen wirtschaftliche Stabilität, insbesondere in Krisenzeiten. In Berlin kommt hinzu, dass sich bereist das Land Berlin einen im vergleich sehr hohen Bestand an öffentlich Bediensteten leistet (auch wenn man dies nicht unbedingt im täglichen Leben bemerkt). Zusätzlich zieht die Hauptstadt eine Vielzahl an Interessenverbänden, Lobbyisten und politischen Institutionen an. Alles wirtschaftlich sehr starke Player am Markt.
Preis und Mieten sind im internationalen vergleich noch immer sehr günstig. Der aktuelle (wohl nicht rechtlich korrekt aufgestellte) Mietspiegel 2021 weist noch imme riene Durchschnitsmiete von unter 7 EUR/qm aus.
Michael Piontek
12.03.2021
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Nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige berechnungsgrundlagegekippt hat, hat der Gesetzgeber Ende 2019 eine Neufassung verabschiedet. Diese beinhaltet neben dem „Bundesmodell“ aber eine Öffnungsklausel für eigene Regelungen der Bundesländer. Von dieser Öffnungsklausel haben / werden bisher sieben Bundesländer Gebrauch machen und eigene Berechnungsmodelle in Kraft setzen. Es gibt daher wertabhängige und flächenabhängige Modelle sowie Mischformen, jeweils mit unterschiedlichen Ausprägungen. Die Unterschiede sind teilweise auch nicht wirklich begründbar und nachvollziehbar. Dies führt für Immobilienbesitzer zu zwei Kernproblemen:
- Es gibt einen Flickenteppich der Regelungen für überregionale Eigentümer. Immobilienbesitzer müssen die verschiedenen Berechnungsmodelle anwenden und dafür auch unterschiedliche Daten und Informationen liefern. Veränderungen an den relevanten Berechnungsgrundlagen müsse je Modell überwacht und bei der nächsten Erklärung korrigiert werden. Eine deutliche Erhöhung der Komplexität und Bürokratieanforderungen.
- Die Grundsteuern werden steigen. Die Ankündigung, dass die Neuregelung auf Gesamtdeutschland bezogen aufkommensneutral ausfallen wird ist nach aktuellen Berechnungen nicht zu halten. Im Gegenteil: Die Steuern werden wohl deutlich höher ausfallen.
Derzeit haben sich Baden-Württemberg ein Gesetz, Bayern, Saarland und Sachsen einen Gesetzentwurf vorgelegt. Hamburg, Hessen und Niedersachsen haben die Berechnungen veröffentlicht. Weitere Landesmodelle anderer Bundesländer könnten noch folgen. Dabei ist zu beachten, dass die neue Grundsteuer zwar erst ab 2025 gilt, ab Mitte 2022 aber bereits Anzeigepflichten nach dem neuen Recht gelten. Das Aufsetzen der eigenen Bearbeitung, Datenerfassung und Bereitstellung müssten daher schon 2021 beginnen.
Nach Berechnungen einer der großen WP-Gesellschaften am Beispiel eines Gewerbeobjektes ergeben sich für die gleiche Immobilie nur in Niedersachsen eine leichte Minderung der Steuerlast (5%), selbst das Bundesmodell ist über 30% „teurer“ als die bisherige Grundsteuer. In Bayern fällt die neue Grundsteuer über 60% höher aus und im Saarland und in Sachsen verdreifacht sich die Steuerlast nahezu. Dabei wird von unveränderten Hebesätzen ausgegangen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die chronisch unterfinanzierten Gemeinden diese „Vorlage“ von Bund und Ländern nicht nutzen werden. Insbesondere nach den Einnahmeausfällen im Rahmen der Coronakrise werden die Kommunen nicht auf mögliche Einnahmen verzichten.
Die deutlich steigenden Grundsteuern werden die Diskussion über die Umlegbarkeit der Grundsteuer auf Mieter erneut befeuern. Die Erhöhungen könnten so deutlich ausfallen, dass die Politik die Erhöhung der Zahllast für die Mieter nicht begründen kann. Eine Einschränkung der Umlegbarkeit wird dann die Eigentümer treffen, im Cashflow aber dann auch mit Abwertungseffekten für die Immobilien. Auch werden Erhöhungen der Nebenkosten („zweite Miete“) ggf. Auswirkungen auf die Höhe der ersten Miete haben.
Alles in allem keine guten Nachrichten für Immobilienbesitzer. Hohe zusätzliche Bürokratie, zusätzliche Kosten (besonders im Leerstandsfall), ggf. Einnahmeausfälle und Bewertungsrisiken. Natürlich auch keine guten Aussichten für den Neubau von Mietwohnungen. Es bleibt nur die Möglichkeit regional auf die Kommunen und Gemeinden einzuwirken, bei den Hebesätzen mit sehr viel Augenmaß vorzugehen.
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