Immobilienpreise … Wann werden sich neue Preise auf Basis der veränderten Marktbedingungen bilden? Und auf welchem Niveau?
Das Zinsniveau ist seit Herbst 2021 in einem nie dagewesenen Tempo gestiegen. Es könnte sich diesen Sommer einem vorläufigen Höhepunkt nähern. Die weitere Entwicklung hängt dann von der weiteren Inflationsentwicklung, insbesondere den Zweitrundeneffekten ab.
Der 10-Jahres-Swap gegen den 3-Monats-Euribor hat sich seit dem 18.08.2021 von – 0,15% auf mittlerweile ein stabiles Niveau um 3% entwickelt. Der 3-Monats-Euribor hat sich seit Ende Dezember 221 von -0,6% auf nunmehr 3,3% erhöht. Deutsche 10-jährige Staatsanleihen sind ebenfalls bis auf 2,3% gestiegen, nach -2% Ende 2021. Jetzt stellt sich die Glaubensfrage, welchen Einfluss das Zinsniveau auf den Immobilienpreis hat. Natürlich gibt es einen Zusammenhang, wenn vielleicht auch nicht 1:1. Aber natürlich müssen Immobilien eine höhere Rendite als Staatsanleihen bringen. Sicherlich ist und war immer ein risikoadäquater Abstand von 200 bis 250 Bps angemessen, da der Immobilie erhebliche zusätzliche bauliche, Mieterbonitäts- und Marktrisiken innewohnen. Wenn wir jetzt diese 2,5% als Zuschlag ansetzen, dann ergibt sich auf Basis der 10-jährigen Staatsanleihe von 2,3% eine notwendige Immobilienrendite von 4,8%, nach Transaktionskosten – also eher 5%. Das würde bedeuten, dass eine durchschnittliche Immobilie um das 20-fache Jahresmiete an Wert hätte. Natürlich ist dies immer im Einzelfall zu prüfen und anzupassen. Aber es zeigt, dass die Immobilie im Wettbewerb mit anderen Assetklassen eine höhere Rendite bieten muss, sonst wandert das Kapital verstärkt in andere Märkte. Aber auch die Finanzierung bedingt höhere Renditen. Bei einem Kreditzins von rd. 4% muss die Immobilie eine deutlich höhere Rendite erwirtschafte um eine positiven Levereageeffekt zu ermöglichen. Wenn der Leverageeffekt negativ wird, dann fallen breite Käuferschichten aus und das würde den Immobilienwert wieder nach unten korrigieren und die Rendite nach oben bewegen.
Die Immobilienmärkte im Bereich der Transaktionen agieren noch immer nervös und uneinheitlich. Verkäufer bieten Immobilien noch immer zum alten Preisniveau bzw. nur mit leichten Abschlägen an. Käufer bieten deutlich geringere Preise – daher kommt es nur zu sehr wenigen Abschlüssen, teilweise bleiben Transaktionen auch ganz aus. Käufer und Verkäufer finden nicht zusammen. Diese Unsicherheit wird wohl so lange anhalten, bis tatsächlich ein Zins-Peak erreicht ist und sich alle Marktteilnehmer den neuen Realitäten stellen (müssen).
Die Gutachter scheinen auch auf Zeit zu spielen. Die Bewertungen von Immobilienbeständen der börsennotierten Immobilien-Aktiengesellschaften waren stabil und nur in Einzelfällen sah man Abwertungen von vielleicht 2%. Das Argument hier folgt aus dem vorherigen Absatz: Es gibt noch zu wenig Transaktionen auf einem niedrigeren Niveau. Zu dem könnten inflationsbedingte Mietsteigerungen und der systemische Anlagedruck von Versicherungen die Preise auch stützen. Das Trio Finanzvorstand, Bewerter und Wirtschaftsprüfer wird hier noch einige Kämpfe auszustehen haben.
Nun hat die EZB die Zinsen nur um 0,25% angehoben, aber weitere Erhöhungen angekündigt. Aber deren Umsetzung ist bereist im Direktorium strittig. Die Tauben, insbesondere aus den Südstaaten, werben stark für ein Ende der Zinserhöhungen. Perspektivisch werden die Südstaaten auch wieder auf Zinssenkungen drängen um ihre Haushalte zu stützen. Wir werden aber nicht wieder in das aktuelle Zinsniveau zurückkommen. Das hat auch zu erheblichen Fehlanreizen und Verwerfungen in mehreren Wirtschaftszweigen geführt, die auch Risiken und Schäden ausgelöst haben.
Wenn sich das Zinsniveau im Sommer auf dem aktuellen Niveau stabilisieren sollte, werden auch die Immobilienpreise im Rahmen von Transaktionen ein neues Niveau definieren. Doch wo? Ein einfaches Rechenbeispiel macht es transparent:
Kostet eine Top-Immobilie zuletzt EUR 100 Mio. mit EUR 3 Mio. Miete erbrachte sie 3% Rendite. Wenn die Marktrendite auf nur 4% für diese Top-Immobilie gestiegen ist, welchen Wert hat sie dann noch? Richtig: EUR 75 Mio. Das entspricht einer Abwertung von 25%. Ich weiß, ein plakatives Beispiel, aber es verdeutlich die erheblichen Auswirkungen. Welcher Fonds, welche börsennotierte AG welche kapitalsammelstelle verkraftet einfach so schnell einen solchen Wertabschlag „binnen eines Jahres“? Was bedeutet dies für Covenants bei Fremdfinanzierungen? Was bedeutet das dann für die Banken, wenn viele Darlehen im Rating abrutschen und mit mehr Eigenkapital hinterlegt werden müssen oder gar ausfallen? Wer bei einer Finanzierung heute einen LTV von über 50% hat, hat ggf. ein Problem. Dann schlagen Abwertungen von 25% mit dem doppelten Wert auf Eigenkapital (=-50%).
Fazit: Sicherlich werden die Zeiten des 40-fachen Preises für Wohnungsportfolios oder Spitzenrenditen unter 4% bei Büroimmobilien Geschichte sein. Insbesondere bei Spitzen-Immobilien, deren Diskontierungszins fast nur noch aus dem risikolosen Zins plus einem kleinem Zuschlag bestanden, wirkt sich dies besonders stark aus. Selbst wenn es keine 25% sondern ggf. nur 15% Abschlag sind, dieser Discount wird sich bei einer Sockelbildung der Zinserhöhungen Mitte 2023 dann im Jahresabschluss 2023 tatsächlich abbilden. Dann werden die Gutachter nicht mehr umhin kommen. Und die Wirtschaftsprüfer auf einer Anpassung bestehen (müssen). Es wird dann spannend…