Immobiliennutzung und -vermietung der Zukunft … Mehr Flexibilität? Oder: Weiter wie bisher, das ist ja schon immer gut gegangen?
Wie sieht der gewerbliche Immobiliennutzung der Zukunft aus? Weiterhin statische und langfristige Mietverträge, deren einzelne Flexibilität in der Frage nach Indexierung oder Staffelmiete bestehen? Oder erfolgt die Nutzung und Vermietung sowie die Vergütung nutzerorientiert? Was sind eigentlich die Bedürfnisse der Nutzer der Zukunft (und vielleicht schon der Gegenwart)?
Derzeit ist die Immobilienwirtschaft stark, die Nachfrage in Toplagen höher als das Angebot. Daher sind die Vermietungsquoten hoch, aber die Bestandshalter realisieren auch nur die Abschlussmieten – und kommen mit der derzeitigen schnellen Entwicklung nicht mit. Die aktuell gute Situation ist oft nur ein „Blender“, da bereits jetzt die Marktzeiten (und damit die Potentialmieten für die Flächen) bei vielen Firmen über den Bestandsmieten liegen – auch wenn die langfristigen Mietverträge erst im letzten / vorletzten Jahr abgeschlossen wurden. Die langfristige Vermietung ist in dynamischen Zeiten einfach zu unflexibel – und damit teuer, da Erträge verschenkt werden (die süchtig Indexierung und Staffelmieten nicht vollständig ausgeglichen werden). Natürlich darf man die Risiken nicht verschweigen – langfristige Mietverträge sind sicherer, sofern der Mieter solvent bleibt.
Die aktuelle Stärke behindert aber auch die Nutzerorientierung und die Adaption neuer Entwicklungen. Meine Meinung: Die dickste mauer ind er Immobilienwirtschaft ist häufig die im Kopf.“ 😉
Die Immobilienwirtschaft denkt vor allem Angebotsorientiert. Wir haben die Flächen und die vermieten wir an die Mieter. Und diese haben diese zu mieten und zu nutzen.
Jeder andere Wirtschaftszweig analysiert die Interessen und den Bedarf des Nutzers in tieferer Form. Was braucht der Nutzer? Was für zusätzliche Interessen hat er?
Was sind die Bedürfnisse der Mieter und der Nutzer, die nicht zwangsläufig gleichzusetzen sind. Die Mieter sind keine heterogene Gruppe, und die Mieter haben auch nicht nur ein Interesse.
Große Mieter brauchen natürlich große Flächen für die Stammbelegschaft, aber auch flexible Flächen für variablen Flächenbedarf für Projektteams oder Wachstum – bevor neue Grossflächen angemietet werden können.
Kleinere Mieter entwachsen den Co-Working-Spaces oder gründen sich mit geringem Personalbestand und Mietflächenbedarf neu. In Zeiten schlechterer Konjunktur verkleinern sich Unternehmen und scheuen langfristige Mietverbindlichkeiten. Aber auch erfolgreiche Firmen und der klassische Mittelstandsmieter können den Mietflächenbedarf nur schwer auf mehrere Jahre hinaus belastbar abschätzen, und halten ggf. Reserveflächen teuer vor. Derzeit werden die variablen Bedürfnisse nur von den Co-working-spaces bedient.
Auch die klassischen Mieter werden aufgrund der geänderten IFRS-Regelungen (Passivierung der Mietverbindlichkeiten) künftig nicht mehr so einfach langfristige Mietverträge unterzeichnen – aber dennoch einen zeitgemäßen Ausbau erwarten. Auch das wird eine Herausforderung, der entweder durch hohe Breakoptions (die aber auch zu passivieren wären) oder intelligente nachhaltige Ausbaukonzepte (die auch Drittnutzbar sind) gelöst werden können um eine kurzfristigere Vermietung auch aus Sicht des Vermieters zu ermöglichen.
Daher werden zukünftig mehr Flächen zur kurzzeitigen Anmietung (voll ausgestattet) benötigt, diese werden dann aber auch höher bezahlt. Diese dienen zum einen dynamischen Firmen zur Anmietung und Entwicklung und grösseren Firmen als variable Flächenreserve. Hier werden dann zum einen Zusatzerträge generiert und den Mietern Zusatznutzen geboten.
Großanbieter wie Tishman Speyer bauen bei Neubauvorhaben bereits jetzt 5% der Flächen für variable Nutzungsmöglichkeiten – um die Bedürfnisse der Nutzer befriedigen zu können und Zusatzerträge realisieren zu können. Die GSG in Berlin bietet mit „Next-Level“ Flächen zur Kurzzeitvermietung an.
Es wird und muss daher eine Durchmischung geben. Langfristig werden wir neben den klassischen Mietflächen einen Bestand von bis zu 10% variabel vermietbarer Flächen geben. Dies ist ein riesiges Geschäftsfeld das derzeit vor allem von Co-working-Spaces bedient wird, aber noch weitere Angebote mit geringerem Servicelevel verträgt.
Ein Blick in die weitere Zukunft:
Der nächste Schritt in mehreren Jahren werden Mietflächen sein, deren Nutzer nach stundenweiser und flächenkonkreter Nutzung Miete zu zahlen werden. Die gleichen Flächen werden dann von mehreren Firmen genutzt – die Mietkosten für die einzelnen Firmen werden sinken und die Erträge für die Vermieter dadurch steigen. Vielleicht werden kleinere Firmen dann gar keinen festen Bürositz mehr haben, sondern sich ausschließlich in shared-offices bewegen. Damit hätten wir dann praktisch “virtuelle Firmen“, die Ortsungebunden per Mail kommunizieren und anfänglich aus formalen Gründen irgendwo noch ein Postfach unterhalten. Aber es werden dann weniger Flächen benötigt, die dafür aber geteilt werden. Die Nutzung der Flächen, der Technik und weiterer Angebote wird dann intelligent und interaktiv zu erfassen sein. Dazu werden wir die Immobilien technisch deutlich aufrüsten müssen. Dies wird auch mit einer Veränderung der Arbeitsweisen und des Arbeitsverhaltens einhergehen bzw. sich daran orientieren müssen.
Ein Zeitalter der „echten“ Digitalisierung der Arbeit und der Gebäude, des Internet der Dinge und der Flexibilität – in der Mitarbeiter eher als Freelancer arbeiten und die Flächennutzung dem jeweiligen Auftraggeber / Arbeitgeber anteilig weiterbelasten – steht bevor.
Die Mietflächen werden sich langfristig tendenziell eher reduzieren, aber flexibler und hochtechnisierten sein müssen und gleichzeitig Urbanität und Komfort bieten. Immobilien in zentralen Lagen werden dem eher zugänglich sein als in der Peripherie. SO wird sich auch der grosse Büroimmobilienbestand aufteilen: Grossflächen eher am Rand der Zentren oder Städte und kleinere Shared-Flächen verstärkt in der City bzw. den Toplagen. Es wird weiterhin beides geben – aber in den Innenstadt-Lagen werden die Shared-Flächen einen höheren Anteil haben und durch die höheren Einnahmen die höheren Mietanforderungen abdecken.
Nur der Immobilienbesitzer, der hier „hart am Wind segelt“ wird nachhaltig Erfolg haben und als Marketmaker die höheren Erträge realisieren – und die besten Mieter haben, da man als Marke agieren kann.