Büro vs. Home-Office – wie geht es weiter?
Viele Angestellte, Führungskräfte und Geschäftsführer / Vorstände haben in den letzten Wochen intensive Erfahrungen mit dem Home-Office als zumindest mittelfristigen Arbeitsplatz gemacht, manche auch zum ersten Mal.
Wird diese Erfahrung unser Arbeitsleben verändern? Um dies zu beantworten sind viele Themenbereiche zu beachten.
Das „erzwungene“ Home-Office hat bei vielen Firmen die Erkenntnis der Notwendigkeit einer höheren Digitalisierung wachsen lassen. Die „spontan“ umgesetzten Lösungen und angeschafften IT-Systeme diensten der Ad-hoc-Lösung, werden aber sicherlich zum Teil weiterverwendet. Der weitsichtige Unternehmer wird aber erst einmal genau Bedarf und Einsatzmöglichkeiten in einem neuen Konzept erarbeiten und prüfen – um dann die richtige und für ihn passende langfristige Lösung umzusetzen.
Interessant werden die Erfahrungen der einzelnen Mitarbeiter sein, welche Bedürfnisse und Konsequenzen für die Zukunft ergeben sich daraus. Die Beurteilung der einzelnen Mitarbeiter, Führungskräfte und Geschäftsführer / Vorstände werden sehr individuell und abhängig von der Persönlichkeit, des Umfeldes, der genauen Aufgaben und Verantwortlichkeiten sein.
Geeignete Tätigkeiten:
Sind wirklich alle Arbeiten / Tätigkeiten Home-Office geeignet? Eher sachbearbeitende Tätigkeiten, die auf digitale Informationen zurückgreifen können wohl eher. Aber nicht alle Unternehmen halten alle Daten, Information und Dokumente vollständig digital. Der persönliche Kontakt zu Kollegen, Kunden oder Dritten kann im Home-Office nur telefonisch erfolgen, das behindert Vertriebsaktivitäten oder Kundenbetreuung. Hier ergibt sich automatisch eine Mischung.
Tätigkeiten mit direkten Kundenkontakt wie Empfang oder Tätigkeiten am Kunden / Objekt (auch Hausmeister) können naturgemäß nicht im Home-Office erbracht werden.
Effektivität:
Positiv bewerten sicherlich Mitarbeiter das „dauerhafte“ oder „gelegentliche“ Home-Office, die eher sachbearbeitende Tätigkeiten verrichten und dabei nicht mehr „von anderen gestört werden“. Genau abgrenzbare Aufgaben und Projekte, die ggf. nur ab und zu mit anderen abgestimmt werden müssen eignen sich für Einzelarbeit. Ungestört kann eine hohe Effektivität erreicht werden, aber nur wen kein zusätzlicher Input oder Diskussion mit anderen erforderlich ist. Bedingung dafür ist aber, dass der Mitarbeiter von seiner Persönlichkeit her mit der Einzelarbeit gut klarkommt, daheim technisch gut ausgestattet ist und keine Familie daheim bei der Arbeit stört. Beim dauerhaften Home-Office kommen wir den Bereich der Telearbeit, die wiederum zusätzliche Investitionen seitens des Arbeitgebers bedürfen.
Kritisch sehen diese Einzelarbeiten eher die Vorgesetzten – warum? Die anderen Mitarbeiter, die diesen einen Einzelarbeiter „sonst stören“ tun dies ja, um an benötigte Informationen für ihre eigene Arbeit zu erhalten. Wenn diese Informationen jetzt nicht vom Einzelarbeiter kommen, leidet die Effektivität der anderen Mitarbeiter deutlich, da sie sich die Informationen entweder woanders besorgen müssen oder gar nicht erhalten. Im Gesamtbild der Firma geht daher der Effektivitätsgewinn des Einzelarbeiters zu Lasten der Effektivität anderer (mehrere) Mitarbeiter und deren Leistung. Daher kann das Gesamtergebnis durchaus negativ sein. Daher werden Führungskräfte und Geschäftsführer / Vorstände die Abkapselung eher kritisch sehen und nur in Ausnahmen positiv bewerten.
Kommunikation:
Die Abstimmung mit Kollegen zu kleinen laufenden Fragen ist im Büro bei persönlicher Anwesenheit schneller und effektiver. Telefonische Anfragen könne aufgrund anderweitiger Telefonate oder Abwesenheiten ggf. ins Leere laufen, in größeren Calls lassen sich kleinere, bilaterale Fragen nicht klären. Strittige oder zu diskutierende Themen lassen sich persönlich besser und harmonischer klären als im telefonischen oder schriftlichen Austausch.
Führung:
Führung ist in Home-Office-Zeiten deutlich aufwändiger und zeitintensiver. Führungskräfte weisen nicht nur Arbeit zu und kontrollieren das Ergebnis – sie brauchen ein Gefühl dafür, ob alles läuft, ob es Spannungen gibt oder ob Themen sich ggf. in die falsche Richtung entwickeln. Dazu ist auch ein non-verbale Kommunikation sehr wichtig, die in Home-Office-Zeiten verloren geht. Der Versuch dies durch Telefonate oder Videokonferenzen auszugleichen ist ungemein zeitintensiv und hält die Führungskräfte selbst von Arbeit ab. Dieses Problem potenziert sich dann noch auf der Ebene der Geschäftsführer / Vorstände.
Klima
Das Betriebsklima in einem Unternahmen ist Produkt der Zusammenarbeit und des laufenden Umgangs der Mitarbeiter, Führungskräfte und Geschäftsführern / Vorständen. Wenn dieser persönliche Umgang nicht mehr stattfindet, wird sich kein durchgängiges Betriebsklima bilden, die Mitarbeiter werden sich nicht mit dem Unternehmen identifizieren, die Mitarbeiter nicht mehr die „Extra-Meile“ gehen und die „Schlagkraft“ des Unternehmens wird als Konsequenz sinken. Man kann das Betriebsklima nicht in 14-tägigen persönlichen Projektmeetings und einer Weihnachtsfeier herausbilden. Eine gewisse Zeit überlebt das Klima eine Home-Office-Phase, diese darf aber nicht zu lang sein. Zudem ist das On-Borarding neuer Mitarbeiter im Home-Office wirklich schwierig, da die neuen Mitarbeiter das neue Unternahmen nicht wirklich „erleben“ und auch keine emotionale Binding aufbauen können.
Flexibilität
Hier liegt der große Vorteil des Home-Office und m. E. ein Sinn in heutigen Zeiten. Mitarbeiter wünschen sich mehr Flexibilität in Arbeitszeit und ggf. -ort. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein wichtiges Thema und kann für die Mitarbeiterbindung herausragende Bedeutung haben. Gelegentlich in Abstimmung mit dem Team früher zu gehen um private Termine wahrnehmen zu können und ggf. dann abends daheim etwas nacharbeiten kann einen hohen Wert haben. Für die Firma ist es auch von Vorteil, wenn ein Elternteil bei kranken Kindern daheim noch wichtige Arbeiten verrichten kann. Wenn leicht erkrankte Mitarbeiter ggf. von zu Hause arbeiten um keine Kollegen anzustecken. Dies ist alles sinnvoll und in Abstimmung mit dem Team / Vorgesetzen für alle Parteien von Vorteil.
Emotion
Viele neue „Heimarbeiter“ haben gemischte Erfahrungen mit dem dauerhaften Daheimsein gemacht. Vielen Fehlt das „Fortsein“ von daheim, der Austausch mit den Kollegen als Alternative zum familiären Gespräch. Der Mangel an sozialen Kontakten sowie die Entfremdung zur Firma kann zu Verunsicherung, Zukunftsängsten und Depressionen führen. Für einige Menschen gibt es auch den emotionalen druck sich daheim nicht vollständig von der Familie abzuschotten – diese „erwartet“ vielleicht auch „Dienste“, wenn der Mitarbeiter zu Hause ist. Dem kann sich nicht jeder wirklich entziehen. Dies kann dann zu Spannungen mit der Arbeit bzw. den Kollegen und Vorgesetzten führen.
Was bedeutet dies für die Arbeit der Zukunft?
Geschäftsführer / Vorstände und Führungskräfte geben vor, wie sei die Arbeit im Unternehmen gestalten wollen. Da die Führung im Home-Office sehr erschwert ist und die je nach Aufgabe Effektivität leidet (auch ohne Home-Schooling der Kinder) werden die meisten Firmen zur Büroarbeit zurückkehren. Es macht auch Sinn im Hinblick auf Unternehmensklima und Mitarbeiterbindung für jeden Mitarbeiter einen Schreibtisch „vorzuhalten“ und die betriebsinterne Kommunikation sicherzustellen. Es wird aber mehr Flexibilität und Angebote für mobiles Arbeiten geben, dabei sollte die dauerhafte Ausprägung eine Telearbeitsplatzes vermeiden werden. Dann müsste das Unternehmen mittelfristig nicht nur das Heimbüro einrichten sondern am Ende auch noch einen Mietanteil bereitstellen.