Wirtschaft, Italien, EZB und Dollar … wohin geht die Reise der Zinsen?
Das Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt. Der Ölpreis schwankt. Der Dollar wird stärker. Italien schürt neue Krisenängste. Merkel geht – was bedeutet das alles für die Zinsen?
Die Wirtschaft wächst langsamer. Dies wohl auch, weil die Automobilindustrie in einem unglaublichen Maße die Zertifizierung ihrer Modelle nach dem neuen WLTP-Standard verschlafen hat. Dies führt zu Produktionsdrosselungen und einem Rückgang des Umsatzes. Es wird aber wohl Nachholeffekte in 2019 geben, wenn die Zertifizierungen „durch“ sind. Der Brexit wird die deutsche Wirtschaft nur moderat belasten. Grundsätzlich geht es der Wirtschaft gut, eher macht der Fachkräftemangel zu schaffen. Daher haben wir aber auch eine Rekordbeschäftigung und geringe Arbeitslosigkeit. Die Binnennachfrage wird die Wirtschaft stützen, auch wenn neue Handelsschranken den Export ggf. belasten werden. Es stellt sich jetzt eher die Frage, ob die deutsche Wirtschaft überhaupt mehr als 2% wachsen könnte, da die Kapazitäten dazu fehlen.
Der Ölpreis hat gegen die historischen Tiefststände bereits angezogen und damit auch die Inflation befeuert. Jetzt versucht die OPEC einen weiteren Schritt auf nachhaltig über 80 USD für Brent zu erreichen. Das wird dann auch die Inflation eher unterstützen. Historisch war der Ölpreis auch bereits bei 100 USD.
Der Dollar wurde in den letzten Wochen stärker, da die Wirtschaft sich dort (auch wegen der Steuerreduzierungen) gut entwickelt und die Zinsen steigen (und durch die FED weiter erhöht werden).
Italien steigert unter der populistisch, nationalen Regierung die Verschuldung und geht auf Konfrontationskurs mit der EU. Aber die Rendite der Staatsanleihen sind seit Jahresbeginn bereits von 1,7% auf über 3,4% gestiegen. Weitere Verunsicherungen werden die Renditen in Richtung 4% treiben, dann wird das Ganze auch für die neue Regierung nahezu unbezahlbar. Die Finanzmärkte als Rettung der Eurozone? Italien wird einsehen, dass auch innerhalb des Euro keine unbegrenzte Verschuldung ohne erhebliche Zinsaufschläge zu haben ist.
Wird der Abgang von Frau Merkel Auswirklungen haben? Das hängt davon ab, wer nachfolgt. In der EU ist Frau Merkel mit Macron die Achse der weiteren Integration. Ihr Abgang wird diese Achse schwächen. Herr Merz hat sich gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden ausgesprochen. Das zwingt schwächere Länder eher dazu, ihre Probleme selbst zu lösen bzw. zu begrenzen.
Ich gehe davon aus, dass sich die solide Wirtschaftslage fortsetzt (wen auch ggf. auch etwas geringeren Steigerungsniveau). Das auslaufende Anleiheankaufsprogramm wird automatisch zu etwas höheren Zinsen führen. Generell wird die Sonderkonjunktur durch die EZB perspektivisch. Die EZB-Maßnahmen waren (und dürfen) nicht der Staatsfinanzierung (z. B. Italien) dienen. Herr Draghi ist auch kein Anhänger der aktuellen italienischen Regierung. Daher gehe ich davon aus, dass der Fahrplan des Ausstiegs fortgesetzt wird. Ob wir im Herbst 2019 noch erste Zinsanhebungen sehen bleibt abzuwarten. Ich gehe aber von einer Normalisierung der Zinslandschaft (im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung) aus – die Sondereffekte der EZB-Maßnahmen werden langsam diffundieren. Das Zinsniveau wird am langen Ende moderat um ca. 1% in den nächsten 2 Jahren steigen. Die Negativzinsen werden in diesem Zeitraum verschwinden.