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Heraklit

Steigende Zinsen – fallende Immobilienpreise? Teil2

12.05.2022 Allgemein Keine Kommentare

Die langfristigen Zinsen sind seit Herbst 2021 nunmehr um gut 2 % gestiegen. Die kurzfristigen Zinsen sind derzeit noch negativ, es stehen jedoch voraussichtlich Zinserhöhungen der EZB im Juli und im weiteren Jahresverlauf von m. E. bis zu 0,75 % an.

Was bedeutet dies für Immobilienpreise?

Die aktuell noch hohen Immobilienpreise, die auch maßgeblich vom historisch niedrigen Zinsniveau der Vergangenheit gestützt wurden, stehen kurzfristig stark gestiegenen Zinssätzen gegenüber. Da teilweise Vervielfältiger von 35-40 bezahlt wurden (insbesondere für Wohnimmobilien), weisen viele Anlageimmobilien nur Brutto-Anfangsrenditen von 2,5 bis 3 % auf. Selbst bei einem Vervielfältiger von 25 bedeutet dies 4 % Brutto-Anfangsrendite; die Netto-Anfangsrendite liegt individuell sicherlich bis zu 0,5 % darunter.

Die gestiegenen Zinsen wirken vielfältig auf die Immobilienwerte, wie bereits ausgeführt durch erhöhte Fremdkapitalzinsen, Verzinsung von Alternativanlagen, Einflüsse auf den Diskontierungszins und Inflationseinflüsse auf Mieten und Kosten.

Private Immobilienkäufer aber auch gewerbliche Investoren, die Fremdkapital einsetzen, weil sie den Kaufpreis nicht anders finanzieren können oder den Leverageeffekt nutzen wollen, müssen nunmehr teilweise den dreifachen Zinsaufwand einkalkulieren. Die im Ergebnis deutlich höheren Zinslasten von knapp 3 % lassen einen positiven, die Eigenkapitalrendite erhöhenden Leverageeffekt nicht mehr zu.

Selbst eine Finanzierung von 60 % des Kaufpreises einer Immobilie mit 2,5 % Bruttoanfangsrendite (40-fach) ist kaum in die Annuitätendeckung zu bringen. Hier scheitern jetzt die Finanzierungshöhen an den DSCR-Covenants. Keine Annuitätendeckung bedeutet: keine Finanzierung. Daher hat der erfahrene Investor versucht bereits in Zeiten niedriger Zinsen DSCR-Covenants, die sich am echten Fremdkapitalzins orientieren, zu vermeiden.

Zusätzlich und unabhängig vom Fremdkapitalzins bedrohen die Renditen für Alternativanlagen die Immobilienwerte. Deutsche Bundesanleihen notieren bereits jetzt bei über 0,85 % für 10 Jahre Laufzeit (am 09.05.2022 sogar über 1,1 %), Tendenz steigend. Wenn für knapp 1 % in Bundeswertpapiere investiert werden kann, warum sollte dann eine deutlich risikoreichere Wohnimmobilie zu 2 % Netto-Anfangsrendite gekauft werden? Daher wir die Nachfrage nach den hochpreisigen Immobilien eher abnehmen und hier die Preise mindern.

Wichtig und häufig unterschätzt ist der Einfluss auf den Diskontierungszins. Der Diskontierungszins baut auf dem risikolosen Zins (z. B. Bundesanleihen) und erhöht sich um immobilienspezifische, aber auch mikro- und makrolagebedingte Faktoren. Falls nun, wie jetzt geschehen, der risikolose Zins steigt, dann steigt zwangsläufig auch der Diskontierungszins. Natürlich werden auch die anderen Einflussfaktoren laufend aktualisiert und es mag dann aus Sicht des Gutachters ggf. vereinzelt Gegenbewegungen geben. Diese können einen Anstieg von über 1,6 % seit Herbst 2021 aber nicht ernsthaft kompensieren. Diese Effekte wirken insbesondere auf die „Top-Objekte“, die einen sehr geringen Diskontierungszins aufweisen. Da es kaum noch andere Aufschläge für Markt- oder Objektrisiken gibt, die mindernd wirken können, schlägt die Erhöhung des risikolosen Zinses nahezu ungedämpft durch.   

Was bedeutet dies in Zahlen?

Hier muss sicherlich jede Immobilie einzelfallabhängig betrachtet werden. So wird sich der Diskontierungszins nicht sofort von 2,5 % (40-fach) um 1,5 % auf 4 % (25-fach) erhöhen. Dies hätte mathematisch einen Wertabschlag von 15 Jahresmieten oder 37,5 % zur Folge. Aber selbst mit einem positiven Ansatz, der teilweisen Kompensation durch andere Einflussfaktoren, der Berücksichtigung der langsamen preislichen Marktentwicklung und dem erbitterten Widerstand der Finanzvorstände ist m. E. auf jeden Fall mit einer Erhöhung von 0,5 % in diesem Jahr zu rechnen. Dies hätte eine Wertveränderung von rd. 10-15 % zur Folge.

Das klingt dramatisch und dürfte manche LTV-Covenants an die Belastungsgrenze bringen – aber ein derartiger Zinsanstieg in einem so kurzen Zeitraum ist auch nahezu einmalig. 

Gut aufgestellt sind Firmen, die die Bewertung und Belastung ihrer Immobilien nie maximal ausgereizt haben und über ausreichend Liquidität und lastenfreie Immobilien zur eventuellen Kompensation verfügen.      

Die einzige positive Nachricht ist, dass die hohe Inflation nicht nur erhöhend auf die Baukosten wirkt, sondern auch bei indexierten Mietverträgen die IST-Mieten erhöht. Je nach Objekt hat dies eine positive Wirkung und die Wertabschläge aus den vorgenannten Einflüssen könnten so gelindert werden, vollständig kompensieren wird es die negative Wertbeeinflussung aber wohl nicht. Während die Inflation auch in 2023 wieder fallen dürfte, das Zinsniveau wird nicht mehr auf das Allzeittief zurückkehren. Dazu müsste die EZB massiv eingreifen und den Prozess in diese Richtung leiten und ist aktuell nicht zu erwarten.

Ich bin gespannt, wie die Bewertungsergebnisse per Ende 2022 in den Bilanzen ankommen und welche Schlüsse und Maßnahmen die Investoren und Banken daraus ziehen. Die Diskussionen zwischen Bewertern, Vorständen/Eigentümern und Wirtschaftsprüfern dürften spannend werden.

 

Spannende Zeiten … folgt die EZB der FED – und wenn ja, wie weit und wie schnell?

05.05.2022 Allgemein 1 Kommentare

Die FED hat die Zinsen gestern deutlich erhöht und der Markt sieht einen klaren Zeitplan weiterer Schritte. Es ist damit Konsens, dass die FED die Inflation wirksam bekämpfen wird. Dies wird die Unsicherheit auf den Märkten und in der Wirtschaft nehmen und beruhigen und teilweise die Märkte sogar unterstützen.

Die EZB hat in Teilen auch sehr deutliche Worte gefunden. Frau Schnabel stellt im gestrigen Handelsblattinterview die Preisstabilität über alles, auch über die Problematik der hohen Staatsverschuldung der Problemstaaten des Euro (salopp gesagt, die „Rotweintruppe“); sie vertritt hier eher die Falken. Sicherlich finden sich aber innerhalb der EZB auch noch Verfechter sanfteren Vorgehens. Derart deutliche Interviews können natürlich bereits als Maßnahmen bewertet werden, die die Entschlossenheit der EZB verdeutlichen soll – auch wenn bisher nicht gehandelt wurde.

Allerdings ist wohl tatsächlich im Juli mit einem ersten zaghaften Zinsschritt zu rechnen. Ob im weiteren Jahresverlauf weitere Zinserhöhungen folgen, wird jeweils tagesaktuell von den dann herrschenden Inflationszahlen abhängen. Sollte die Inflation akut sinken und auch der Forecast für 2023 unter 4 % verharren, wird die EZB wieder vorsichtiger agieren. Anders als die FED muss die EZB Rücksicht auf die verschuldeten Staaten nehmen und kann daher nur so lange höhere Zinsen akzeptieren, wie es die Fristigkeit der noch niedrig verzinsten Verbindlichkeiten der Schuldenstaaten zulässt. Offiziell wird natürlich auch die Gefahr hoher Zinsen für die krisengeplagte Wirtschaft angeführt. Hiernach könnte es daher zu einem „Zinsbuckel“ kommen, der am Ende sicherlich etwas höher endet als er startete.

Grundsätzlich bleibt zu erwähnen, dass die Eurozone, wie andere hoch entwickelte Industriestaaten auch, langfristig kaum ein nachhaltiges und langfristiges BIP-Wachstum über 2 % erwirtschaften kann. Dagegen sprechen auch demografische Faktoren. Dies spricht auch gegen langfristig sehr hohe Zinsen, die dann nicht refinanziert werden könnten.

Zu beachten ist auch, dass die letzte echte Hochzinsphase in den 90er Jahren stattfand – noch vor der Einführung des Euro. Da konnten die Währungen noch freier, je nach wirtschaftlicher Situation und Zinsniveau, sich gegeneinander auf- und abwerten. Dies ist in der heutigen, sehr heterogen zusammengesetzten Eurozone nicht mehr möglich.

Spannend bleibt die weitere Entwicklung am Energiemarkt. Ein Ölembargo und ein evtl. folgender Gasstopp aus Russland werden die Preise treiben, die Wirtschaft aber stark belasten. Sind in diesem Fall Zinserhöhungen für die Wirtschaft verkraftbar? Oder folgt eine Zinserhöhung gegen die Inflation, kombiniert mit einem Anleiheankaufprogramm für Staaten und Unternehmen.

Zusätzlich sind die Zweitrundeneffekte, insbesondere Lohnerhöhungen, zu beachten. Wenn es gelingt, die Inflation zu dämpfen bevor große Tarifabschlüsse die Inflation zusätzlich anheizen, kann die Inflation auf Jahressicht wieder auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden. Dann könnte die EZB auch die Zinsschraube nicht so stark andrehen und die Schuldenstaaten der Eurozone sowie der Euro hätten kein Problem. Gelingt dies nicht, müssen wir uns auf eine längere Zeit höherer Inflation einstellen und können die Schuldenstaaten und den Euro später nur noch durch Eurobonds oder EU-finanzierte Rettungspakete auffangen.

Daher tut die EZB meines Erachtens gut daran, schnell Entschlossenheit zu zeigen und zu handeln, um ggf. später insgesamt weniger eingreifen zu müssen.

      

Dr. Michael Piontek